Navigation überspringen
article cover

Strategie ist ein Teamsport: Anregungen für einen partizipativen Strategieprozess

Eine Strategie kann nur erfolgreich sein, wenn das gesamte Team weiss, wie es zum Erfolg beitragen kann. Wenn Betroffene zu Beteiligten gemacht werden, wird die Strategie breit mitgetragen und wird resilienter. Dieser Artikel bietet Anregungen für einen partizipativen Strategieprozess.

Nordstern: der Strategiestern am Himmel

Früher war der Nordstern ein wichtiges Instrument in der Seefahrt. Dank ihm konnten sich Seefahrer orientieren. Als Metapher kann der Nordstern auch auf die Strategie übertragen werden. Der Nordstern kann sowohl bei der SOLL-Analyse wie auch in der Umsetzungsplanung angesiedelt werden.

Im strategischen Zusammenhang ist mit dem Nordstern eine einzige, aussagekräftige und gut verständliche Kennzahl gemeint, anhand derer die Strategie überprüft werden kann.

Der erste Reflex wäre vielleicht, dass man finanzielle Kennzahlen wie den Gewinn als Nordstern fixiert. Doch das ist nicht die Idee. Der finanzielle Erfolg ist immer ein Resultat respektive eine Konsequenz des unternehmerischen Schaffens und nicht ein Selbstzweck. Der Nordstern zielt deshalb auf Kennzahlen des unternehmerischen Wirkens ab.

Ein unternehmerischer Nordstern sollte nach dem Strategieexperten Thierry Kneissler einige Eigenschaften erfüllen:

  • Jede Person in der Organisation kann zum Nordstern beitragen und sich daran orientieren. Dies ist ein wichtiges Element, damit die Strategie in der Belegschaft breit mitgetragen wird.

  • Der Nordstern muss etwas mit dem Kunden und deren Verhalten zu tun haben und nicht mit einer rein internen Zahl.

  • Die Kennzahl sollte sich in Bewegung befinden und sich in nützlicher Frist verändern, sodass Trends erkannt werden können.

  • Die Kennzahl muss in regelmässigen Abständen gemessen werden können (z.B. monatlich), sodass man auch eine Kurskorrektur vornehmen kann, bevor es zu spät ist.

Wenn man diese Eigenschaften zusammenträgt, könnte ein Nordstern beispielsweise bei einem digitalen Produkt wie einer App die Zahl der aktiven Nutzer pro Monat sein. Gehen wir die obigen Eigenschaften kurz durch:

  • Alle im Unternehmen – vom Marketing-Mitarbeitenden bis zur IT-Fachkraft – können einen Effekt auf diesen Nordstern haben. Wenn gut verkauft wird und das IT-System gut läuft, kann auch die Zahl aktiver Nutzer steigen. Zum Vergleich würde es keinen Sinn machen, die Anzahl Verkaufsgespräche aus dem Marketing als Nordstern für das gesamte Unternehmen zu setzen.

  • Die Anzahl aktiver Nutzer pro Monat spiegelt direkt das Verhalten des Kunden wider und hält somit fest, ob die Kunden die App wiederholt nutzen oder nach einmaligem Verwenden abspringen.

  • Die Kennzahl befindet sich stets in Bewegung, Trends sind klar erkennbar und die Kennzahl kann auch einfach gemessen werden – theoretisch täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich.

Strategieentwicklung im Gespräch

Offensichtlich können und sollen strategische Leitfragen und Strategieschritte (Details dazu im Strategie Handbuch – siehe unten) sowie der Nordstern nicht im stillen Kämmerlein für sich alleine bearbeitet werden.

Strategieentwicklung ist ein partizipativer, kollaborativer Prozess. Deshalb stellt sich die Frage, wie mit anderen Kolleginnen und Kollegen oder Sparringspartnern konstruktive, effektive Gespräche für die Entwicklung und Prüfung von Strategieideen geführt werden können.

Um das Gespräch zu lancieren, sind hier ein paar passende Fragestellungen aufgelistet:

  • Wo besteht Handlungsbedarf, wie gross ist dieser und warum?

  • Was muss wahr sein oder was muss eintreffen, damit die Strategie oder die Massnahme funktioniert? (Eine praxiserprobte Frage des oben genannten Managers A.G. Lafley)

  • Was müssen wir wissen? Welche Informationen müssen wir haben, damit wir eine Entscheidung fällen können? (Informationen sammeln ist wichtig - exzessives Sammeln darf aber nicht vom Entscheiden abhalten. Letztlich müssen Führungspersönlichkeiten auch unter Unsicherheit entscheiden können.)

  • Was ist unser Nordstern?

  • Bist du persönlich überzeugt von unserer aktuellen Strategie oder dem aktuellen Zwischenstand der Strategieentwicklung? (Hier sollte kein «group think» oder Herdentrieb entstehen, sondern jede Einzelperson sollte für sich unabhängig überzeugt sein – und das lässt sich eher in informellen Gesprächen herausfinden und kaum in formellen Sitzungen.)

Besonders hervorheben möchte ich die Frage, was wahr sein oder eintreffen muss, damit eine Strategie funktioniert. Diese Frage hat einige Stärken.
Christian Lundsgaard-Hansen

Die Frage danach, was wahr sein muss, verhindert eine blockierende Haltung im Stile von «das funktioniert sowieso nicht». Die Frage zielt nämlich darauf ab, was gegeben sein muss, damit eine Idee funktioniert, und bekämpft damit den Reflex vieler Gesprächspartner, eine Idee entweder vorzeitig als unnütz oder unmöglich abzuschmettern. Ebenfalls spornt die Fragestellung zu kreativem Denken an, öffnet den Horizont und ist auch eine Einladung, um die wichtigen Skeptiker konstruktiv in den Dialog einzubinden.

Die Definition wichtiger Faktoren bietet auch eine wertvolle Analyse. Sie zerlegt komplexe Sachverhalte in konkrete Einzelfaktoren. Solche Einzelfaktoren für den Erfolg könnten sein,

  • dass die Firma deren IT-Team mit zusätzlichen Personen oder neuen Kompetenzen verstärken muss,

  • dass der Markt ein Produkt mit gewissen Eigenschaften tatsächlich haben will,

  • dass in den kommenden Jahren eine gewisse Summe in Produkteentwicklung investiert werden muss,

  • dass die Expansion in ein anderes Land gelingt,

  • etc.

In einem nächsten Schritt kann man diese Einzelfaktoren beleuchten. Auf diesem Weg kann besser evaluiert werden, ob eine Strategie auf eine Konstellation vieler schwieriger Umstände angewiesen ist oder ob die Strategie mit angemessenen Risiken weiterverfolgt werden kann. Für die Risikobeurteilung können wir uns unter anderem auf die Rumsfeld-Matrix berufen. Diese wird im Strategie Handbuch zusammen mit anderen effektiven Methoden vorgestellt.

Illustration von Sparkr www.sparkr.ch
Illustration von Sparkr www.sparkr.ch

Die Einzelfaktoren haben ebenfalls den Vorteil, dass sie Achillesfersen der Gesamtstrategie aufzeigen können. Früh entdeckte Achillesfersen sparen u.U. viel Zeit und andere Ressourcen.

Das beantworten der obigen Fragen sowie das Zerlegen von Annahmen in Einzelfaktoren funktioniert in der Gruppe in einem partizipativen Prozess deutlich besser als alleine im Einzelbüro oder im isolierten Home Office.

Die Sprache der Strategie

Nicht nur beim Beantworten von strateischen Fragen ist das Einbeziehen von Betroffenen wertvoll. Früher oder später kommt der Punkt, an dem die abstrakte oder visionäre Strategie übersetzt und übertragen werden muss in den Lebensalltag von Mitarbeitenden, welche konkrete Prozesse und Ziele für ihren eigenen Bereich benötigen.

Diese Übertragung umfasst im ersten Schritt die Vermittlung des grossen Ganzen für die gesamte Organisation und die wichtigsten Massnahmen. Dazu gehören die Vision der Organisation, der Nordstern und die Stossrichtung ein paar weniger Massnahmen, die auch die Fokussierung und Priorisierung verdeutlichen. Mit dieser Übersicht wird allen klar, woran nun die verschiedenen Teams als Ganzes - als eine Firma - hinarbeiten.

In der Kürze liegt die Würze: Eine Strategie, die wichtigsten Massnahmen und den Nordstern auf einer einzigen Seite verständlich vermitteln zu können, ist eine Kunst und Stärke.

Innerhalb von Teams und auf der persönlichen Ebene kann die abstrakte Strategie in sogenannte «Objectives and Key Results» (OKR) – also persönliche Ziele und Resultate, die erzielt werden sollen – übersetzt werden.

Während dieses dezentralen Prozesses, wo die verschiedenen Teams innerhalb einer Organisation aus dem grossen Ganzen ihre eigenen OKR ableiten, wird an den Bindegliedern zum Beispiel zwischen einer Führungsperson auf Team- und auf Bereichsebene oftmals auch verhandelt.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Menschen, welche ganz nahe an den konkreten Aufgaben und Arbeitsschritten in einem Team sind, miteinbezogen werden, da diese oftmals im Gespräch am besten beurteilen können, wie zum Erfolg beigetragen werden kann. Dadurch entsteht also im Idealfall eine partizipativ entwickelte und breit getragene Sammlung an Zielen für einzelne Bereiche und Personen mit dem besten aus beiden Welten – dem Wissen und den Erfahrungswerten «von der Front» sowie den Visionen und dem Weitblick von den Strategen mit dem Gesamtbild.

Strategieanalysen, Massnahmen, OKR etc. müssen keineswegs in einem Strategiejargon gemacht werden. Im Gegenteil: Je näher die Sprache der Strategie an der echten Sprache der Mitarbeitenden ist, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie verstanden und mitgetragen wird, anstatt dass sie vom Immunsystem der Organisation als Fremdkörper eingestuft und abgestossen wird.

Die Vermittlung der Strategie ist also ein äusserst wichtiger Schritt. Als Grundsatz gilt: Eine gemeinsam entwickelte Strategie lässt sich besser vermitteln. Das heisst, schon in der Entstehungsphase lohnt sich ab einem gewissen Punkt das Miteinbeziehen verschiedener Gruppen. Ein Leitprinzip aus dem Change Management lautet: Betroffene zu Beteiligten machen.

Eine Strategie kann und sollte nach einem partizipativen Prinzip der «Co-Creation» entwickelt werden, damit Betroffene zu Beteiligten werden auch der sehr wichtige kulturelle Faktor einer Organisation in die Strategie einfliessen kann.

Das Strategie Handbuch

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zum Thema Strategieentwicklung. Alle Beiträge der Serie sind in einem kompakten Handbuch zum kostenlosen PDF-Download sowie als Kindle eBook verfügbar.

Das Strategie Handbuch bietet nützliche Grundlagen, Methoden und Leitfragen für den Strategieprozess.
Christian Lundsgaard-Hansen
Das kompakte Strategie Handbuch auf www.sparkr.ch/strategie-handbuch
Das kompakte Strategie Handbuch auf www.sparkr.ch/strategie-handbuch

Das Buch komprimiert die Kernaussagen diverser Strategieklassiker, Erfahrungswerte zahlreicher Strategieexperten und eigene Erfahrungen von Sparkr auf 35 PDF-Seiten resp. 70 eBook-Seiten und bietet auch einige nützliche Illustrationen und Grafiken.

Kommentare

Christian Lundsgaard-Hansen schreibt über Internet & Technologie, Innovation, Job & Karriere, Wirtschaft & Management

Meine Passion ist das Erkennen, Analysieren & Zünden von Veränderungen in Wirtschaft & Gesellschaft. Ich glaube nicht an Silos. Ich glaube nicht an blinden Aktionismus. Ich glaube an den Wert guter Beziehungen, Kreativität, Pragmatismus & Weitsicht. www.sparkr.ch

Artikelsammlung ansehen