Streng dich an! Beeil dich! Sei stark! Wie wir uns selbst stressen und was wir dagegen tun können
Einen Umgang mit Stress finden – das wünschen wir uns alle. Dafür müssen wir allerdings erst mal herausfinden, was uns stresst, und anerkennen, dass es so ist. Wer im Job-Hamsterrad gefangen ist, bemerkt häufig nicht, wie hochtourig der eigene Motor läuft. Und wenn der Tank dann leer ist, geht plötzlich gar nix mehr.
So weit sollte es nicht kommen. Das ist aber gar nicht so leicht, vor allem wir Männer tun uns da schwer.
Im Folgenden möchte ich beschreiben, wie ich lernte, meine Stressoren zu erkennen und einen besseren Umgang damit zu finden.
2021 stellte für mich eine äußerst anstrengende Zeit dar. Neben meiner Unternehmensverantwortung und meinen Aufgaben als Funktionär bei Hamburger Sportverein inmitten der Pandemie hatte auch ich, wie so viele Menschen, neue persönliche Herausforderungen zu bewältigen. Ich fühlte mich nicht richtig schlecht, bemerkte aber, dass meine Leistungsfähigkeit und mein Wohlbefinden litten. An diesem Punkt beschloss ich, aktiv etwas dagegen zu tun. Denn als ehemaliger Leistungssportler war mir klar, dass ich ganzheitlich, also körperlich und mental fit sein muss, wenn ich mich sowohl in meinem beruflichen als auch in meinem persönlichen Umfeld energetisch, stark und ausgeglichen fühlen möchte.
📌Was Stress und Resilienz miteinander zu tun haben
Ich lernte in dieser Zeit die Management- und Resilienztrainerin Kirsten Wilhelm kennen. Wir kamen im Gespräch schnell auf die Themen Stress und Resilienz. Worte, die wir alle häufig hören. Ich auch – nur wusste ich eigentlich gar nicht, was diese Begriffe konkret beinhalten.
Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gilt folgende Definition: "Unter Stress wird die starke Beanspruchung eines Organismus durch innere oder äußere Reize verstanden. Die evolutionär betrachtet lebenswichtige Aktivierung des Organismus in Bedrohungssituationen ist heutzutage häufig mit negativen Auswirkungen für Körper und Psyche verbunden. Da Stress durch die Interaktion einer Person mit ihrer Umwelt entsteht, können Präventionsmaßnahmen sowohl auf Individualebene als auch auf struktureller und gesellschaftlicher Ebene ansetzen."
Aha! In einfach: Stress hat eine wichtige Funktion, da er uns signalisiert, dass uns etwas bedroht. Nun sind wir heute in der Regel nicht mehr den lebensbedrohenden Situationen unserer Vorfahren aus der Steinzeit ausgesetzt. Aber unser Körper und unser Nervensystem reagieren auch heute noch auf plötzliche Belastungen. Und manchmal sind die höher, als wir es im "stressigen" Alltag wahrhaben wollen. Wir verdrängen, aber der Körper beginnt sich irgendwann zu melden. Und spätestens an diesem Punkt und im Bestfall schon davor, kann man für sich selbst eine Menge tun.
In der Medizin bezeichnet Resilienz die Aufrechterhaltung bzw. rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensumständen und wird als Ergebnis der Anpassung an Stressoren definiert. Das Gegenteil von Resilienz ist Verwundbarkeit.
Um meiner diffusen inneren Anspannung auf den Grund zu gehen, machte ich eine Stressanalyse. Eigentlich sogar zwei. Die erste Analyse 2021 und die zweite 2023. Entwickelt wurde dieses Verfahren von Experten. Es zeigt an, wo genau ich den Stress empfinde und wie. Auf der einen Seite erhalte ich Ergebnisse, wie ich mit meinen Grundbedürfnissen (Bindung, Orientierung, Kontrolle, Selbstwert) aufgestellt bin, in meinen Antreibern und wie ich den Stress wahrnehme. Auch Motivation und Sinnhaftigkeit sind hier ein Thema. Dafür musste ich einen Fragebogen mit über 100 Fragen zu meinem aktuellen Empfinden ausfüllen. Die Ergebnisse hat Kirsten Wilhelm im Anschluss mit mir reflektiert. Uns Menschen treiben – je nach unseren Erfahrungen und Konditionierungen – ganz unterschiedliche Dinge an. Wie bei allem gilt: Zu viel ist schlecht, zu wenig auch. Auf die Balance komm es an!
Es ist wichtig, zu beachten, dass diese Antreiber nicht per se schlecht sind. In der richtigen Dosierung können sie dazu beitragen, Ziele zu erreichen und erfolgreich zu sein. Aber ein übermäßiger Einfluss dieser Antreiber kann zu körperlichem und emotionalem Stress führen.
Meine persönlichen Ergebnisse und auch die Entwicklung möchte ich gern teilen. Die grünen Balken bedeuten, dass die Werte in einem guten Bereich liegen. Rosafarbene Balken bedeuten, hier muss man genauer hinschauen. Die roten Balken signalisieren echten Handlungsbedarf.
💡Ergebnisse 2021
Hier ist zu sehen, dass ich stark geprägt bin von den Treibern "Beeil dich" und "Streng dich an". Wenn ich nicht aufpasse, kann ich hier in den Bereich rutschen, der mich auslaugt und überfordert.
💡Meine Ergebnisse von 2021 bis 2022
Sei perfekt
Manchmal wünschen Sie sich schon, dass Konzepte, Pläne oder Ergebnisse noch besser, sauberer, durchdachter, hochwertiger – eben perfekt – sind. Je nach Thema und Situation kann der Sei-perfekt!-Antreiber Sie schon im Griff haben und Ihren Stress erhöhen.
Sei stark
Bei manchen Menschen oder in manchen Situationen haben Sie schon den Drang, stark zu sein oder zumindest Stärke zu demonstrieren und sich keine Schwäche anmerken zu lassen. Sie könnten dabei auch unbewusst die ein oder andere eigene Grenze überschreiten und sich dadurch mehr stressen als nötig.
Sei gefällig
In manchen Situationen oder bei manchen Menschen ist es Ihnen wichtig, sich gefällig zu verhalten und beliebt zu sein. Dann springt der Sei-gefällig!-Antreiber an. Sie sagen oder tun dann Dinge, die die anderen gern hören oder sehen möchten. Sie passen sich den Erwartungen oder Meinungen der anderen an. Dies löst manchmal Stress aus.
Beeil dich
Im Großen und Ganzen fühlen Sie sich nicht gehetzt. Manchmal kann es Ihnen allerdings gar nicht schnell genug gehen. Dann geraten Sie in Eile, hetzen sich, unterbrechen zu langsame Kollegen, drängeln oder laufen im Stechschritt zum nächsten Termin o. Ä.
Streng dich an
„Das Leben ist kein Ponyhof, sondern hart, mühsam und beschwerlich!“ – so könnte Ihr Motto heißen. Sie gehen ständig an Ihre Grenzen oder darüber hinaus und fordern von sich und anderen mehr Leistung, Anstrengung, Einsatz etc. Leichtigkeit ist für Sie Leichtsinn. Spaß Privatsache. Wer professionell sein will, muss arbeiten. Ohne Fleiß kein Preis.
📌Die Arbeit mit den Ergebnissen
Nach der Analyse wusste ich, wo ich ansetzen kann, und begann aktiv, an meiner Resilienz zu arbeiten. Ich integrierte Stressmanagement-Techniken in meinen Alltag, darunter regelmäßige Meditation, Sport und Zeitmanagement. Als ich ein Jahr später erneut meinen Stresszustand testete, sah ich erhebliche Veränderungen:
💡Ergebnisse 2023
Reduzierter Stresspegel: Die Tests zeigten, dass meine Stressbelastung signifikant gesunken war. Ich konnte stressige Situationen besser bewältigen und schneller erholen.
Steigerung der Leistungsfähigkeit: Meine Produktivität und Konzentration hatten sich verbessert, da ich in der Lage war, mich besser auf meine Aufgaben zu konzentrieren.
Bessere emotionale Gesundheit: Mein allgemeines Wohlbefinden hatte sich gesteigert. Ich war ausgeglichener und weniger anfällig für Stimmungsschwankungen.
📌Warum ist es hilfreich, die eigene Stressfähigkeit testen zu lassen?
Viele Menschen scheuen sich davor, ihre mentale Verfassung zu überprüfen oder sich Hilfe zu suchen, wenn sie Probleme haben. Dies kann auf Stigmatisierung, Unsicherheit oder Unwissenheit zurückzuführen sein. Aus meiner Sicht ist es hilfreich ist, die eigene Stressfähigkeit zu testen.
Insgesamt kann das Analysieren und Verbessern der eigenen Stressfähigkeit dazu beitragen, ein gesünderes und erfüllteres Leben zu führen. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen und Erkenntnisse euch dazu ermutigen, eure eigene Resilienz zu stärken und die Unterstützung zu suchen, die ihr braucht. Denkt daran, dass mentale Gesundheit genauso wichtig ist wie körperliche Gesundheit, und es ist nichts Falsches daran, sich um beides zu kümmern.
Wie geht ihr mit Stress um und habt ihr euch auch schon mal professionelle Hilfe geholt? Freue mich über eure Erfahrungen und auch über Fragen zum Test in den Kommentaren!
Euer Marcell Jansen