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In stressigen Situationen schütten wir das Kuschelhormon Oxytocin aus und suchen soziale Verbindungen. - © Pexels/wocintechchat

„Stress macht uns zu sozialeren Menschen!“ Wie bitte?

Wer ständig gegen Stress ankämpft, verkürzt damit sein Leben, zeigen Studien. Dabei hat Stress einige wertvolle Effekte, die wenig bekannt sind: Er erhöht zum Beispiel unsere Bereitschaft, Hilfe anzubieten und anzunehmen. Nicht unwichtig im Job ... und wir reden hier natürlich nicht vom gefährlichen chronischen Stress.

„Ich darf nicht gestresst sein, Stress schadet mir.“ Solche Gedanken haben doch die meisten von uns immer mal wieder im Job, oder? Verständlich, denn genau so wird Stress hier in den beruflichen Netzwerken ja auch meist bewertet. Doch genau diese Haltung macht die Sache mit dem Stress erst recht ungesund. Sie stresst uns quasi zusätzlich. Toxische Positivität könnte man das nennen. Um jeden Preis happy und entspannt sein. Wer das nicht ist, macht doch etwas falsch.

Stressreduktion in Job und Privatleben, das hat auch Kelly McGonigal, eine der weltweit führenden Psychologinnen im Feld des Stressmanagements, viele Jahre lang empfohlen. Bis sie eine Studie las, die ihre Welt auf den Kopf stellte.

In stressigen Situationen schütten wir verstärkt das Kuschelhormon Oxytocin aus.

Die Studie zeigte, dass die Menschen, die viel Stress erlebten und ihn für etwas Schlechtes hielten, frühzeitig starben. Wer ebenfalls viel Stress erlebte, ihn aber positiv bewertete, erreichte hingegen ein höheres Alter. Ein weiterer spannender Aspekt bei dieser positiven Sicht auf Stress: Stress macht uns zu sozialeren Wesen. Weil wir in einer stressigen Situation mehr von dem Neurohormon Oxytocin ausschütten.

Und das hat Effekte, die über den bekannten „Kuschelwunsch“ – deshalb wird Oxyztocin auch „Kuschelhormon“ genannt – hinausgehen. Und wir reden hier nicht von chronischem Stress, der eher das Gegenteil bewirkt und unsere „Zündschnur“ für emotionale, impulsive Reaktionen sehr kurz werden lässt, was sozialen Beziehungen eher wenig zuträglich ist.

Stress macht uns empathischer gegenüber Menschen, die wir mögen

Weshalb werden wir also sozialer durch Stress? Das in stressigen Situationen vermehrt ausgeschüttete Oxytocin steigert unser Bedürfnis nach engeren sozialen Verbindungen, und es macht uns empathischer. Mehr noch: Das Hormon erhöht unsere Bereitschaft, Menschen zu helfen, die uns wichtig sind. Wir sind aber auch eher bereit, selber Hilfe zu suchen.

Doch steuert das Hormon nicht nur unser Sozialverhalten. Es erhöht auch unsere körperliche Gesundheit. Es schützt uns quasi vor den negativen Nebeneffekten von Stress. Ein Beispiel: Unser Herz hat Rezeptoren für Oxytocin. In stressigen Situationen kann Oxytocin hier andocken und den Herzzellen helfen, sich nach stressbedingten Schäden zu regenerieren.

Hilfe suchen und anbieten macht uns gesünder

Das Beste: Wir selbst können diese positiven Effekte von Oxytocin verstärken, indem wir Hilfe suchen oder anbieten. Denn dann produzieren wir noch mehr Oxytocin, was zu einer gesünderen Stressantwort führt.

Aus Sicht der Resilienzforschung im Zusammenhang mit gesundem Arbeiten bedeutet dies: Stress kann im Job unsere Netzwerkorientierung verbessern. Wir werden zu besseren, hilfsbereiteren Kollegen und Führungskräften. Und schützen uns selbst dabei vor den negativen Folgen von Stress. Vorausgesetzt natürlich, wir machen ein gesundes (!) Maß an Stress zu unserem Freund.

Und hier geht’s zu Kelly McGonicals TED Talk.

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Mehr zu solchen Themen auch in meinem 2-tägigen Resilienztraining vom 14.10.2024 bis 15.10.2024 im Beach Motel an der Nordsee – für Mitarbeiter, Führungskräfte und Privatpersonen. Meist übernimmt das Unternehmen die Kosten. Für Infos und Anmeldeformular sendet mir gern eine PM oder eMail an drkaikaufmann@icloud.com

Studie: Keller, Litzelman, Wisk, et al. 2012, University of Wisconsin, School of Medicine and Public Health

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Kommentare

Dr. Kai Kaufmann schreibt über Stressmanagement, Resilienz, New Work, Gesundheit & Soziales

Dr. Kai Kaufmann war 15 Jahre als Führungskraft für Verlage tätig. Nach einem Burnout stellte er die Weichen für sein Leben neu. Heute unterstützt er als Trainer für Stressmanagement und Resilienz Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Als Medical Writer publiziert er bis zu 30 Fachartikel jährlich.

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