Transformationspfade für eine klimaneutrale Industrie
Die Transformation der Industrie ist ein zentrales Schlüsselelement, um die geplante Klimaneutralität fristgerecht zu erreichen.
Eine wichtige Herausforderung ist, sich auf eine bestimmte Technologie festzulegen - dennoch müssen Entscheidungen jetzt getroffen werden. Die Studie “transform.industry – Transformationspfade für eine klimaneutrale Industrie 2040 in Österreich“ liefert dafür wichtige Grundlagen und zeigt geeignete Technologien als Transformationspfade in zwölf verschiedenen Industriebranchen. Durchgeführt wurde sie im Auftrag des Klima- und Energiefonds vom AIT Austrian Institute of Technology, der AEA Austrian Energy Agency, dem Lehrstuhl für Energieverbundtechnik der Montanuniversität Leoben und dem Energieinstitut der Johannes Kepler Universität. Auf Grundlage von Energie- und Treibhausgasmengen sowie den eingesetzten Technologien wurden auch die Investitions- und Energiekosten (den höchsten Energiebedarf haben die Branchen Eisen und Stahl, Steine, Erden und Glas, (Petro-)Chemie, Papier und Druck) abgeschätzt und eine volkswirtschaftliche Bewertung der unterschiedlichen Szenarien vorgenommen:
Erneuerbare Gase: Die Transformation der Industrie gelingt hier größtenteils durch die Bereitstellung von erneuerbaren Energien durch die Energieversorger (sehr kostenintensiv, da viel Energie eingekauft werden muss)
Kreislaufwirtschaft: Die Transformation gelingt hier durch eine gesteigerte Materialeffizienz und höhere Recyclingquoten (Reduzierung der energieaufwändigen Grundstoffherstellung). Erforderlich ist eine Integration der Wertschöpfungsketten auch zwischen Unternehmen.
Innovation: Verstärkter Einsatz von Best Available und Breakthrough Technologien durch eine hohe Integration der Wertschöpfungsketten vor allem in den Betrieben erfolgt (aus volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht am sinnvollsten, weil ein Großteil der Wertschöpfung im eigenen Land bleibt und das Zukunftspotenzial am höchsten ist). Erforderlich sind Prototypanlagen (Unterstützung der öffentlichen Hand und Förderungen) und den Ausbau des Zukunftsmarktes.
Sektorkopplung: Verfolgung eines Optimierungsansatzes, bei dem der inländische Primärenergieverbrauch auf Basis der nachgefragten Energiedienstleistungen minimiert wird und zu diesem Zweck Energie exergetisch optimal eingesetzt wird.
Das wichtigste Ergebnis der Studie ist, dass es Innovation braucht. Die Hälfte der benötigten Technologien müssen erst entwickelt werden. Das muss schneller und besser vernetzt werden.
Es wurden die folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet:
- Positive Anreize setzen (z.B. Förderungen für Investitionen und Betriebskosten zur Ergänzung bestehender sowie zur Zeitschiene inkohärenter Besteuerung von Externalitäten)
- Ausbau der vorkommender erneuerbarer Potenziale sowie Infrastruktur (Gewährleistung von Preisstabilität und Planbarkeit)
- Verfügbare Energieträger (vor allem Elektrizität und Biomasse) sollten maximal wertschöpfend genutzt und nach technologischen Erfordernissen sowie nach Temperaturniveaus priorisiert werden
- schnelle Genehmigungen von Netzen und Anlagen
- gesetzliche Grundlagen für den Transport und die Nutzung von CO₂
- Infrastrukturen für Transport von CO₂ neutralen Gasen, einschließlich Gemischen
- Kohlenstoffabscheidung: eine Speicherung ist nach dem anfallenden Volumen gerechnet nahezu immer volkswirtschaftlich günstiger als die Nutzung von Kohlenstoff (energetisch effizienter). Auch sind die anfallenden Mengen so groß, dass ein reiner Export nicht in Frage kommt - entsprechend ist die Kohlenstoffspeicherung zu ermöglichen
- Klarheit bezüglich Treibhausgasbesteuerung (ETS und CBAM1)
- Logistische Lösungen
- Entwicklung von Maßnahmenpaketen unter Einbezug sämtlicher Stakeholder und der betroffenen Regionen
- Planungssicherheit für die Industrie bezüglich der Rahmenbedingungen, um ihre Technologien umzustellen. Zu den wichtigsten gehören:
- Festlegung politischer Rahmenbedingungen, damit sich die Unternehmen frühzeitig für die richtigen Innovationen entscheiden können
- Beschleunigung der Einführung bereits weit entwickelter sektorübergreifender Technologien (z. B. Wärmepumpen) und rasche Weiterentwicklung spezifischer Produktionstechnologien in den energieintensiven Sektoren
- Öffentliche Unterstützung vor allem bei der Integration und Implementierung von Technologien im industriellen Maßstab
- Schnelle Bereitstellung von Wasserstoff-Derivaten
- industrie-, standort- und innovationspolitische Strategien.
Was bedeuten diese Ergebnisse für das Bauwesen?
Auch wenn diese Studie für Österreich gilt, so lassen sich Kernergebnisse auch auf andere Länder und spezifische Branchen übertragen. Für die Baubranche bedeutet das beispielsweise: Mit Fokus auf eine effiziente, wirkungsvolle und zeitnahe CO2-Reduktion ist hier der Schwerpunkt auf jene Technologien zu richten, die eine kostenminimale Optimierung des Gebäudebestands ermöglichen. Auch hier sind Herausforderungen sowie individuelle Nutzer- und Anwenderhemmnisse, regulative Hemmnisse wie Gesetzgebungen, Regulierungsdichte und Bürokratie bei der Markteinführung und -entwicklung zu analysieren. Auch hier bedarf es der Motivation für ein energiesparendes und effizientes Verhalten. Zudem müssen Technologien, Systeme und Komponenten zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich mehr in der Breite angewendet werden. Dass dies noch zu wenig geschieht, hat folgende Gründe:
- mangelndes Wissen über Einsatz und Funktionsweise der Technologien und deren unzureichender Wirtschaftlichkeit
- Innovationsbarrieren zwischen dem technisch Machbaren (Niedrig-, Null- und Plusenergiegebäude) und der breiten Lösungsanwendung
- Nutzerperspektiven werden noch zu wenig berücksichtigt (während der Bauaktivitäten und nach Inbetriebnahme)
- kaum Analyse der Hindernisse (Kosten, Know-how der Beteiligten, Gewährleistung etc.) sowie in der Information über bereits bestehende technologische Möglichkeiten.
Innovative Systeme sollten auf ihre Anwendbarkeit überprüft und Anwender (Eigentümer, Facility-Manager, Nutzer etc.) über die korrekte Nutzung und Einsparungspotenziale informiert werden. Dies kann zu sofortigen Einsparungen führen. Der Blickwinkel für wirtschaftliche Betrachtungen von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sollte auf eine lebenszyklusorientierte Dimension erweitert werden. Eine ganzheitliche Betrachtung setzt schon bei der Planung an und setzt sich mit Umwelt-, Energie- und Rohstoffimplikationen, Materialbeschaffung und der Baustellenlogistik und späteren Betriebsaufwendungen auseinander. Zudem sind bestehende „Low-Tech-Ansätze“ weiterzuentwickeln, um den Energie- und Ressourcenverbrauch von Städten, Quartieren und Gebäuden durch Rückgriff auf einfache oder von der Natur inspirierte Wirkungsprinzipen (Bionik) zu reduzieren. Auch Erfahrungen aus anderen Bereichen (z.B. Chemie-, Automobilindustrie) können technische Innovationen im Gebäudebereich unterstützen. Bestehende Umwelttechnologien sollten in der Breite anwendbar gemacht werden (dazu siehe Daniel Fuhrhop). Damit verbunden ist eine rechtzeitige Einbindung von Nutzerkonzepten, die als Grundlage dafür dienen, dass innovative Technologien den gewünschten nachhaltigen Erfolg erzielen.
Weiterführende Informationen:
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- Daniel Fuhrhop: Der unsichtbare Wohnraum. Wohnsuffizienz als Antwort auf Wohnraummangel, Klimakrise und Einsamkeit. Transcript Verlag, Bielefeld 2023.
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