Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Über das Glück unserer Tage: „Wünsche sind nur gut, solange man sie noch vor sich hat.“

Ulrike Möltgen
Coverausschnitt aus: Erich Kästner: das Märchen vom Glück. Mit Illustrationen von Ulrike Möltgen. Atrium Verlag 2024.

Das Märchen vom Glück

Wer sein Glück finden will und nicht von den Wechselfällen des Lebens aus der Bahn geworfen werden möchte, muss sich zuerst einmal selbst finden und Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Damit verbunden ist ein gelungenes Leben, das in der Philosophie „glücklich“ heißt. Allerdings kann, wer beim Wohlfühlglück stehenbleibt, keine soziale Verantwortung übernehmen oder den Gemeinsinn schätzen. Glück hat nicht mit Ankommen zu tun, sondern mit Unterwegssein. Darum geht es auch in Erich Kästners „Märchen vom Glück“, das zuerst im Band „Der tägliche Kram: Chansons und Prosa 1945 - 1948“ erschienen ist und nun bereits in vierter Auflage als Buch beim Atrium Verlag mit Illustrationen von Ulrike Möltgen erschienen ist. Ihre Bilder bilden zugleich eine Folie für eigene Interpretationen und zeigen: Worauf es heute ankommt, ist der bewusste Umgang mit der eigenen Zeit und an den damit verbundenen Wertschöpfungsanspruch. Glück ist wie Nachhaltigkeit dabei weniger ein Zustand, sondern vielmehr ein Prozess, der auf innerer Veränderung beruht und eine ständige Auseinandersetzung mit sich und anderen erfordert:

In einer Kneipe erzählt ein alter Mann, was er vor vierzig Jahren erlebte: „Ich war noch jung und litt am Leben wie an einer geschwollenen Backe.“ Eines Tages traf er auf einen älteren Mann. Der Alte sagte, dass er drei Wünsche frei habe, damit er glücklich werden würde. Da er nicht an sie glaubte, verschwendete er zwei davon nutzlos: Er ließ den Alten verschwinden, was er kurz darauf jedoch bereute und ihn sich gleich wieder zurückwünschte - womit auch der zweite Wunsch verbraucht war. Als der alte Mann zurückkam, ermahnte er, mit dem dritten Wunsch vorsichtiger umzugehen und verschwand: „,Oh, sind die Menschen dumm’, sagte er … ,Das Glück ist ja schließlich keine Dauerwurst, von der man sich täglich seine Scheibe herunterschneiden kann!’“ Seinen dritten Wunsch hat der junge Mann in seinem Leben nicht eingelöst, denn: „Wünsche sind nur gut, solange man sie noch vor sich hat.“

Die Botschaft ist nicht nur auf unseren Lebens-, sondern auch auf den Unternehmenskontext übertragbar. 

So ist aus der Projektplanung bekannt, dass wertvolle Zeit immer am Anfang verloren wird, weil man ja noch so viel Zeit hat bis zum Ende. Dabei ist jeder Tag gleich wichtig. Genauso ist es im Leben, denn wir sterben täglich. Das endgültige „Finden" des Glücks ist nicht nur nicht möglich, sondern auch nicht wünschenswert. Worauf es ankommt, ist vor allem, mit seinem Leben und seinen Entscheidungen behutsam umzugehen. Dazu braucht es Erfahrungswissen, das mithilfe von Kopf und Bauch immer wieder in Bezug zu den eigenen Entscheidungen gesetzt werden sollte. Das führt zu Handlungen, die im Sinne der platonischen Tugenden als „klug" beschrieben werden könnten. Die ersten überlieferten Glückskonzepte entwickelten sich um 500 v. Chr. in China aus den Lehren des Konfuzius. In dessen Philosophie konnte ein Mensch nur als glücklich gelten, wenn er sich um andere kümmerte, sich gesellschaftlich engagierte, sich Wissen aneignete und tugendhaft lebte.

Gerade beim Glück gibt es in anderen Ländern eine Reihe von Konzepten, die neben dem klassischen Wirtschaftswachstum andere Facetten berücksichtigen. Der Human Development Index der Vereinten Nationen kombiniert Wirtschaftsleistung mit der Lebenserwartung und dem Bildungsniveau. Der Happy Planet Index des New Economic Foundation's Centre for Well-Being in London bewertet, wie zufrieden Bewohner eines Landes sind, wie lange sie leben und wie stark sie gemessen an ihrem ökologischen Fußabdruck die Umwelt belasten. Zufriedenheit geht nicht zwingend mit wirtschaftlichem Erfolg einher. Den ältesten Glücksindex besitzt Bhutan. Der ehemalige König des Himalajalandes, Jigme Singye Wangchuck, prägte 1970 den Begriff "Bruttglücksprodukt". Um es zu erreichen, werden folgende Aspekte vorausgesetzt:

  • gute Regierungsführung
  • nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftswachstum
  • Erhalt der bhutanischen Kultur
  • Natur- und Umweltschutz.

Seit 2008 ist das Bruttonationalglück in der bhutanischen Verfassung sogar als Staatsziel verankert. Diese Entwicklungsphilosophie, die auf einer zeitgemäßen Form des nachhaltigen Wirtschaftens basiert, stößt mittlerweile immer mehr auf internationales Interesse, denn es kommt nicht nur darauf an, die Dinge richtig zu machen, sondern vor allem die richtigen Dinge zu tun und mit der Nachhaltigkeitsressource Zeit sinnvoll umzugehen. In diesem Kontext ist Kästners viel zitierter Satz „Das Glück ist keine Dauerwurst“ zu sehen. Sein Märchen vom Glück zeigt, was es bedeutet, sich auch von Vorbildern „eine Scheibe abzuschneiden“. Insofern ist es auch ein aufklärerisches „Erziehungsbuch“. Mit Erziehung verbindet er den Glauben an die Zukunft und an die Jugend, die Vorbilder will und braucht.

Das Buch:

  • Erich Kästner: Das Märchen vom Glück. Mit Bildern von Ulrike Möltgen. 4. Aufl. Atrium Verlag, Zürich 2024.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen