Überqualifiziert – Die "Strafe" dafür, dass Sie sich weitergebildet haben? Nein, die Absage an Sie!
Es gibt viele Antworten und Aussagen, die ich im Bewerbungsprozess nicht mag, aber das Wort „Überqualifiziert“ ärgert mich ganz besonders. Sie auch?
Früh in unserem Leben, ob in der Schule, im Studium, in der Ausbildung und später im Beruf, hören wir immer wieder eine Aufforderung: „Bilde Dich weiter. Qualifiziere Dich, mach was aus Dir, dann hast Du es später leichter, bist gefragt und gesucht.“ Und die meisten von uns nehmen diese Aufforderung, den guten Rat, ernst und investieren in ihre Qualifikation. Es macht ja auch Sinn und so entwickelt sich nicht selten eine Eigendynamik. Ich kenne nicht alle meine Leserinnen und Leser persönlich, aber ich könnte wetten, dass Sie alle diesen oder ähnliche Sätze schon mindestens einmal in Ihrem Leben gehört haben. Liege ich falsch?
Ohne Fleiß kein Preis?
Sich im Beruf weiterzuentwickeln, Engagement und Fleiß zu zeigen ist eine hervorragende Sache. Sicherlich kennen Sie das Sprichwort „Ohne Fleiß kein Preis.“ Jedoch müssen wir manchmal erfahren, dass es auch mit Fleiß keinen Preis gibt. Dann, wenn man als Feedback die Aussage „Sie sind überqualifiziert“ hört, dann hat man plötzlich ganz viele Fragezeichen vor Augen.
Jedes Unternehmen wünscht sich Personal, welches sich qualifiziert. Es ist macht ja auch Sinn, wenn man zu einem Thema einen Experten, einen Spezialisten hört und nicht mit jemandem spricht, der auf dem Gebiet nicht bewandert ist. Viele Menschen investieren in ihrem Berufs- und Privatleben Zeit und Geld in ihre Qualifizierung, nur um dann zu hören, dass sie überqualifiziert sind? Da stimmt doch was nicht. Und genau so ist es, es stimmt etwas nicht. Denn überqualifiziert ist oftmals eine verpackte Aussage dafür, dass man nicht mit Ihnen zusammenarbeiten möchte.
"Überqualifiziert" als Ausrede
In einem Artikel schrieb „welt.de“: „Überqualifiziert, wenn der Lebenslauf zum Fluch wird.“ Darin steht: „Nach wie vor werden Bewerber oft mit dem Hinweis abgelehnt, sie seien überqualifiziert. Wobei Insider bestätigen, was Jobsucher schon immer geahnt haben - nämlich, dass diese Begründung eher die Funktion eines Jokers hat.“
Anstatt Ihnen zu sagen, dass Sie zu teuer, zu alt, zu dominant, vielleicht nicht team- oder anpassungsfähig, möglicherweise schnell gelangweilt sind, erhalten Sie die Aussage, Sie seien überqualifiziert. Oftmals haben die Unternehmen auch Angst davor, dass Sie den Job vielleicht nur als „Sprungbrett“ für eine andere Aufgabe sehen.
In diesem Zusammenhang hat sich ein Begriff breit gemacht, „Downshifting“. Das bedeutet, dass Sie, um einen Job zu bekommen, in Ihrer Karriere einen Schritt zurück gehen. Sie verdienen weniger Geld, klettern in der Hierarchie selten weiter nach oben und haben so ein angenehmeres Leben. Zumindest ist dies der erste Eindruck. Es gibt Menschen, die sich für diese Variante entscheiden. Weniger Stress und Hektik, weniger Verantwortung und mehr Zeit für andere Dinge. Sie schalten einen Gang herunter. Wenn Sie dies möchten, dann ist das OK, tun Sie es. Aber ist es wirklich, dass, was Sie wollen, nach all der Mühe, der Zeit, dem Engagement, was es gekostet hat um da zu sein, wo Sie jetzt sind. Hier einen Gang runter zu schalten, zu downshiften für den neuen Job? – das können nur Sie entscheiden.
Überqualiziert ist eine Aussage, die die wahre Antwort schuldig bleibt. Ich würde mir wünschen, dass statt diesen Begriffs, der Weiterbildung, Engagement, Erfahrung und Entwicklung ad absurdum führt, durch die tatsächlich, echte und ehrliche Antwort ersetzt. Und sollte es Unternehmen geben, die wirklich glauben, dass Sie überqualifiziert sind, dann machen Sie diesen Unternehmen klar, dass es Ihre Entscheidung war, sich auf die ausgeschriebene Position zu bewerben und Sie Ihre Erfahrung und Qualifikation für diese Aufgabe gerne einbringen. Liege ich falsch?
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Bitte bleiben Sie gesund.
Herzlichst
Michael H. Hahl