Unternehmen und Klimaschutz: Nachlassendes Tempo auf dem Dekarbonisierungspfad
Im Zusammenhang mit dem Pariser Klimaabkommen haben sich die Vereinten Nationen im Jahr 2015 auf das Ziel verständigt, die globale Klimaerwärmung auf 1,5°C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Um es weiterhin halten zu können, müssen laut Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dem Weltklimarat, die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 halbiert werden (entspricht einer jährlichen Reduktion von über vier Prozent im Vergleich zu 2019). Die großen Unternehmen in der DACH-Region setzen ihren Weg zur Dekarbonisierung fort. Allerdings hat sich das Tempo dieses Prozesses deutlich verlangsamt, was nicht den Anforderungen für eine realistische Einhaltung des 1,5 Grad Celsius Ziel entspricht.
Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören:
- Regulatorische Anforderungen an Unternehmen im Zuge des Europäischen Green Deals: Mit der neuen CSRD-Regulatorik wird zukünftig eine detaillierte Treibhausgasbilanz inklusive der Betrachtung von Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (Scope 3) zur Pflicht
- Emissionsreduktion in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette
- Klimapolitik hat in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich an Gewicht verloren
- Hohe Kosten
- Aufweichung von Nachhaltigkeitsgesetzen
- Unklarheiten im regulatorischen Umfeld (z. B. Fehlen einheitlicher Standards für emissionsarmen oder „grünen“ Stahl).
Die Studie „Klimaschutz – Berichterstattung zur Dekarbonisierung“ von Kirchhoff Consult und BDO AG zeigt, dass große Unternehmen in der DACH-Region zwar ihre Emissionen reduzieren, doch die Fortschritte den Klimazielen hinterherhinken. In der Analyse wurden die aktuellen Klimabilanzen der Unternehmen aus DAX40, ATX und SMI für das Geschäftsjahr 2023 untersucht und mit den Berichten der Jahre 2021 und 2022 verglichen. Es ist der zweite Teil einer Forschungsreihe (die erste Teilstudie trägt den Titel „Diversity – Reporting zur Vielfalt“), die von gemeinsam herausgegeben wird. Grundlage bilden die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte, die bis zum Stichtag 31. März 2024 veröffentlicht werden.
Die zentralen Ergebnisse:
- Die Reduktion der Emissionen variiert stark zwischen den einzelnen Indizes, Branchen und Scopes. So haben Unternehmen der Textilbranche mit einer Reduktion von 16 Prozent große Fortschritte erzielt, während die Gesamtemissionen im Automobilsektor im Durchschnitt um 9 Prozent gestiegen sind.
- 17,5 Prozent der DAX40-Unternehmen haben keine Klimastrategie veröffentlicht und verzeichnen einen durchschnittlichen Anstieg ihrer Gesamtemissionen um acht Prozent. Die übrigen Unternehmen konnten deutliche Reduktionen von durchschnittlich neun Prozent erzielen.
- Mit mehr als 80% verfolgt die überwiegende Mehrheit der untersuchten Unternehmen das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050. Allerdings zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede zwischen Indizes und Branchen. So stechen z.B.Chemie- und Pharmakonzerne besonders positiv hervor.
- Die Verankerung in der Strategie und die transparente Kommunikation scheinen einen klaren Einfluss auf die Reduktionsergebnisse zu haben.
- Die Science Based Targets initiative (SBTi) gilt trotz lauter werdender Kritik an ihren methodischen Ansätzen weiterhin als Goldstandard für das Klimaengagement der Großkonzerne. Als eine der bekanntesten Klimainitiativen bietet sie mit ihren wissenschaftsbasierten Zielen und Methoden Unternehmen einen Rahmen für die Entwicklung von Reduktionpfaden, die mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Die Analyse zeigt, dass Unternehmen mit SBTi-Commitment und einer umfassenden Klimabilanz ihre Emissionen durchschnittlich um 8% reduziert haben.
- In Scope 1 konnten die Unternehmen mit umfassender Klimabilanz ihre Emissionen von 2021 bis 2023 um zwölf Prozent senken und in Scope 2 um 20 Prozent, in Scope 3 nur um acht Prozent.
- Von den 46 Unternehmen, die gemäß den gesetzlichen Vorgaben über ihre Taxonomiefähigkeit berichten, konnten lediglich 34 Unternehmen taxonomiekonforme Aktivitäten nachweisen. Auch haben die Unternehmen keinen Einfluss darauf, ob ihr Geschäftsmodell oder die branchenspezifischen wirtschaftlichen Aktivitäten von der Taxonomie erfasst werden. Zudem variiert die Taxonomiekonformität stark zwischen Branchen und Unternehmen. Es gibt aktuell keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen einem hohen Grad an Taxonomiekonformität und der Reduktion von Treibhausgasemissionen.
- Nur lückenhaft sind einzelne Branchen und Geschäftsmodelle bisher abgedeckt, sodass derzeit nur gut ein Zehntel der Umsätze aller untersuchten Unternehmen als konform und ökologisch nachhaltig einzuschätzen sind.
Ambitionierte Unternehmen können allerdings auch bei herausfordernden Wertschöpfungsketten Erfolge in der Dekarbonisierung erzielen. Was sie auszeichnet:
- Hohes Maß an Ambition
- Wirksame strategische Ansätze
- Innovative Forschung und Entwicklung neuer Herstellungsverfahren
- Risikomanagement und Anpassung an die Folgen des Klimawandels
- Anpassung der Nachhaltigkeitsstrategien an sich wandelnde politische und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
- Durchführung fundierter Klimaszenarioanalysen.
Weiterführende Informationen:
- EU-Taxonomie Reporting 2024: Wie Industrie- und Finanzunternehmen die EU-Verordnung umsetzen
- Transformationspfade-Studie: Ein Weckruf für das Industrieland Deutschland
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
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