Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Vom Glück des Selbermachens

Renate Bergmair

In unserer Konsumgesellschaft kann fast alles fertig gekauft werden.

Doch viele Produkte lassen kaum mehr erkennen, wie sie hergestellt wurden und sichtbar funktionieren. Sie sind durch Massenproduktion austauschbar und verlieren dadurch ihren ästhetischen Wert. Das vermittelte schon die Arts-and-Crafts-Bewegung des 19. Jahrhunderts. Die Schönheit der handwerklichen Fertigung und das Glück, das mit dem Herstellungsprozess verbunden ist, finden heute wieder verstärkt Beachtung. Hand und Handwerk(skunst) erinnern an den kreativen Teil in uns und was es bedeutet, sich an eine Sache hinzugeben, sich zu fokussieren, schrittweise vorzugehen, aber mit den Konsequenzen des eigenen Tuns konfrontiert zu sein. Hinter der wiederbelebten Do-it-youself-Bewegung steckt nicht nur ein Trend, sondern auch eine Haltung, die sich gegen zunehmende Entfremdung und Komplexität richtet und mit neuen Formen des Konsumierens verbunden ist. Der Philosoph Matthew B. Crawford schreibt seinem Buch „Ich schraube, also bin ich. Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen“, dass eine Könnensgesellschaft eine nachhaltige Alternative zur Wissensgesellschaft ist: Der Verlust der sinnlichen Erfahrung und des Begreifbaren führt dazu, dass sich Konsumenten immer stärker von den Produkten entfremden und Erfüllung häufig nur noch in manuellen Hobbys zu finden ist.

Die Grundlage des menschlichen Erlebens und Erkennens hat für ihn mit „begreifen“ zu tun, das von „greifen“ kommt. 

Das Endprodukt des Selbermachens, das viel Aufmerksamkeit erforderte, ist zugleich ein sichtbares Zeugnis über den eigenen Zeitgebrauch. Denn wer Persönliches schenkt, gibt nicht nur etwas von seinem Wesen hinzu, sondern auch Zeit und Gedanken. Gerade im Hineinversetzen in den anderen besteht ein Reiz des Schenkens – nicht zur Weihnachtszeit. Der Trend zum Selbermachen ist seit Jahren ungebrochen: Es wird gebacken, gebastelt, gemalt und gebaut. Wer als Konsument keine Kenntnis vom Machen der Dinge hat, ist auch nicht urteilsfähig. Das bestätigt auch Richard Sennett in seinem Buch "Handwerk". Der Handwerker symbolisiert für ihn das engagierte Tun. Motivation ist für ihn wichtiger als Talent, denn nur wer motiviert und den Dingen und Prozessen nahe ist, „kann zwischen dem Lösen und dem Finden von Problemen“ wechseln, aus Fehlern lernen und sich ständig verbessern. Der Drang nach Perfektionismus würde die Arbeit eher behindern – relevant sind für ihn lediglich das Tun und der Akt der Herstellung.

Jeder schöpferische Prozess ist kreativ und trainiert das eigene Kreativitätspotenzial. Es braucht Fleiß, Anstrengung und Beharrlichkeit im Verfolgen eingeschlagener Wege sowie Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen. Das zeigt auch der Lebensweg von Renate Bergmair, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist und sich schon früh für Pflanzen begeistert hat: „Egal, ob ich ihnen im Ziergarten, Nutzgarten oder in der Natur begegne, meine Freude daran brachte mich dazu, die Landwirtschaft meiner Eltern zu übernehmen.“ Die Welt, die uns umgibt, respektiert und fühlt sie als Kulturlandschaft. In ihrer (Hand-)Arbeit gibt sie ihnen „Raum“. Dabei geht es ihr auch darum, einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, Menschen und Natur zu erreichen.

Der Schlüssel zu gesundem Wachstum

Viele Kurse finden im Gesundhaus i-Tüpferl statt, an deren Umsetzung Tochter Christine Bergmair seit 2022 aktiv arbeitet. Hier soll Gesundheit und Prävention ganzheitlich und zukunftsfähig im ländlichen Raum gelebt werden. „Ein wichtiger Baustein des Gesundhaus sowie unseres Gesamtkonzepts i-Tüpferl ist auch der Austausch in Kreativität und Lebendigkeit. Wir wollen die kreative Entwicklung fördern und mit unterschiedlichen Angeboten, Kursen und Märkten Impulse geben.“ Schon als kleines Kind saß sie bei ihrem Opa und Großonkel mit auf dem Bulldock oder half ihren Großeltern beim Füttern der Kälber und Bullen im Stall: „Ich sammelte bereits in jungen Jahren Erfahrungen mit Ackerbau und Tierhaltung auf unserem landwirtschaftlichen Betrieb und unterstützte meine Familie bei Tätigkeiten im Landhandel, vor allem durch das Getreidelagermanagement während der Erntesaison im Sommer.“ Ihr Ziel war es aber auch, selbständig zu werden, und das Werk ihrer Eltern fortzuführen. So führte sie ihr Weg zum Studium von „Corporate Management & Economics“ nach Friedrichshafen an den Bodensee.

„Dort beschäftigte ich mich vor allem mit der Diversität von betriebs- und volkswirtschaftlichen Entwicklungen unserer Gesellschaft. Die interdisziplinäre Betrachtung aktueller Fragestellungen zwischen den Säulen Wirtschaft, Kultur und Politik erweiterte meinen Blick für die ganzheitliche Erarbeitung von systemübergreifenden Herausforderungen immens“, so die Unternehmerin. In Bezug auf den Familienbetrieb wurde sie durch das wissenschaftliche Coaching am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen begleitet, das sich auch mit dem Thema Generationswechsel in Familienunternehmen beschäftigt. Doch etwas fehlte ihr bei alledem: „die Beachtung des Menschen als Individuum, in seiner lebendigen, kreativen, offenen und interessierten Art.“ Sie erkannte schließlich, dass dies eine der wichtigsten Grundlagen für ein Miteinander in der Familie als auch in familiengeführten Betrieben darstellt.

Auf der Suche nach dem Sinn meines Schaffens brachte sie ihre Entwicklung zur Osteopathie, die den gesamten Menschen mit seiner Geschichte, seinem persönlichen Umfeld und seinen Erkrankungen ganzheitlich betrachtet. Die Hände spielen auch hier eine wichtige Rolle: „Damit ist es mir möglich vor allem durch das Gespür meiner Hände Dysfunktionen im Körper auszumachen und jeden individuell – durch die Aktivierung der körpereigenen Regulationsmechanismen – in der Verbesserung seiner Lebensqualität und Gesundheit zu unterstützen.“ Der Vernetzungsansatz, den sie bereits in ihrem ersten Studium kennen und anwenden gelernt hat, spielte dabei eine wichtige Rolle. Es ist für sie erfüllend und bereitet ihr große Freude, Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung begleiten zu dürfen - ganz im Sinne des Osteopathiebegründers A. T. Still: „Leben ist Bewegung“. Diese Leidenschaft möchte sie in ihre Familie, in ihr Umfeld und den eigenen Betrieb einbringen. Ihr Beispiel zeigt in besonderer Weise, dass es darauf ankommt, aus diesem einen Leben das Beste zu machen und es - soweit möglich - in die eigenen Hände zu nehmen.

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Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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