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Vorsorgevollmacht der Deutschen Palliativ Stiftung - Dr. Alexandra Hildebrandt

Vorsorgevollmacht und Selbstbestimmung - warum das Thema uns alle angeht

Kaum jemand beschäftigt sich gern mit dem, was vielleicht gar nicht oder später im Leben eintritt, zumal es für fast alle Lebenssituationen Absicherungen zu geben scheint. Doch wie sieht es mit Krankheit und Tod aus? Was passiert, wenn wir nicht mehr selbstbestimmt handeln können? Wer entscheidet für das eigene Leben? Diese Fragen, über die viel zu wenig gesprochen wird, gehen uns alle an - in jeder Lebensphase, nicht erst im Alter. Sie sind dringlich, denn wir können jederzeit zu Betroffenen werden - durch einen Unfall, eine plötzliche lebensgefährliche Erkrankung, Wachkoma oder andere Schicksalsschläge. Für solche Fälle sollte eine Vorsorgevollmacht erstellt werden. Die Bevollmächtigten (engste Verwandte wie Ehepartner oder Kinder) sind verpflichtet, ihren Willen als Vollmachtgeber zu vertreten (mit dem Original der Vollmacht).

Bei Immobiliengeschäften, Handelsgewerbe, Verbraucherdarlehen sind eine gerichtliche Beglaubigung oder eine notarielle Beurkundung dieser Vollmacht notwendig. Seit 1. Januar 2023 gibt es ein auf maximal sechs Monate beschränktes Ehegattenvertretungsrecht (gilt nur für den Gesundheitsbereich). Eine Vertretung in anderen Bereichen sowie eine Verlängerung dieser Befristung sind nicht möglich. Ein umfangreiches Vertretungsrecht ist nur mit einer Vorsorgevollmacht möglich (kein automatisches Vertretungsrecht für andere Angehörige oder Lebenspartner, diese können ebenfalls nur im Rahmen einer Vorsorgevollmacht handeln). Voraussetzung für die Errichtung einer gültigen Vorsorgevollmacht ist die Geschäftsfähigkeit, Volljährigkeit und Schriftlichkeit (für gesundheitliche Fragen genügt die Einwilligungsfähigkeit). Zu seinen Bevollmächtigten sollte ein vertrauensvolles Verhältnis gegeben sein, denn es gibt kein Kontrollorgan. Empfohlen wird, die Vorsorgevollmacht jederzeit widerrufbar und ohne Bedingungen zu erteilen.

Sollte keine Vorsorgevollmacht vorhanden sein, kann es sein, dass Betreuungsgerichte einen Betreuer (ggf. sogar ein Fremder, der nichts über die Wünsche des Betroffenen weiß) bestellen, was mit enormen Kosten verbunden ist. In einer Betreuungsverfügung kann festgelegt werden, wen das Gericht zum Betreuer bestellen soll (es wird bei vorliegender Vorsorgevollmacht allerdings gar nicht erst tätig). Hier erläutert Dr. med. Matthias Thöns, Facharzt für Anästhesiologie, Notfall-, Palliativmedizin spez. Schmerztherapie aus Witten, warum jeder Mensch eine Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht abschließen sollte. Die Vorsorgevollmacht ist eine sinnvolle beziehungsweise notwendige Ergänzung zur Patientenverfügung, die "sehr konkret formuliert sein muss, sagt der Palliativmediziner. Zudem muss ein Vorsorgebevollmächtigter benannt werden, der die Patientenverfügung auch gegen Widerstände (z.B. gegenüber dem Chefarzt) umsetzt. In der Patientenverfügung werden Behandlungswünsche für die Zukunft festgelegt, wenn man es selbst nicht mehr kann. Auch sollte eine Vertrauensperson festgelegt werden, die darauf achten soll, dass die Wünsche der Patientenverfügung umgesetzt werden. Aufgrund verschiedener Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 06.07.2016 und 08.02.2017 dürften viele vor diesem Datum erstellte Patientenverfügungen inzwischen unwirksam sein. Auch das Dokument "Vorsorgevollmacht" ist ungültig, wenn es nicht neu den folgenden Satz umfasst: "Die bevollmächtigte Person darf auch über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bestimmen mit der Gefahr des Versterbens". Der Bundesgerichtshof hält Patientenverfügungen nur für bindend, wenn "sie konkrete Entscheidungen über die Einwilligung oder Nicht-Einwilligung in bestimmten, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen enthält".

Empfehlenswert ist das Vorsorgevollmachts-Formular des Bundesministeriums der Justiz, das auch in verschiedenen Fremdsprachen erhältlich ist (unter www.bmj.de > Service > Broschüren und Infomaterial > Broschüre “Betreuungsrecht – Mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht”.

Am 16. Januar findet von 18:00 bis 19:30 Uhr im Gesundhaus i-Tüpferl (Schulstraße 18, 82297 Steindorf) eine kostenlose Informationsveranstaltung zum Thema Vorsorgevollmacht statt. Birgit Förch vom Landratsamt Aichach-Friedberg informiert über die formellen Rahmenbedingungen von Betreuungs- und Patientenverfügungen (keine medizinische Beratung) und widmet sich auch rechtlichen Fragen (z.B. was passiert ohne Vollmacht?).

Veranstaltungskalender

  • Christine Bergmair: Zukunftssicheres Umsetzen von Entwicklung und Gesundheit im Kontext von SDG 11 am Beispielprojekt i-Tüpferl. In: Zukunft Stadt: Die globale und lokale Bedeutung von SDG 11. Wie die sozialökologische Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft gelingen kann. Handlungsempfehlungen – Chancen – Entwicklungen. Hg. von Alexandra Hildebrandt, Matthias Krieger und Peter Bachmann. SpringerGabler. Berlin, Heidelberg 2025.

  • Matthias Thöns: Patient ohne Verfügung. Das Geschäft mit dem Lebensende. Piper Verlag. 3. Aufl., München 2020.

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Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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