Vorstellungsgespräch: Werte verstehen und testen
Gerade in einem kleinen Familienunternehmen wie dem unseren mit 26 Mitarbeitern ist das Menschliche essentiell. Die familiäre Gemeinschaft, das Miteinander prägt unser Wertebild, welches wir erst kürzlich gemeinsam mit dem gesamten Team entwickelt und verschriftlicht haben. Dieses Wertebild ist nun gemeinsamer Handlungsmaßstab für alle – auch für Bewerber. Ich versuche bereits im Bewerbungsgespräch zu testen, ob dieses verbindliche Wertebild ebenso von dem oder der Neuen gelebt werden kann. Denn, wenn es menschlich nicht passt, ist am Ende jede intellektuelle oder technische Kompetenz bei uns auch fehl am Platz.
Hire for attitude, train for skills.
Werte und Charakter sind mir persönlich viel wichtiger als die erlernten Kompetenzen. Wie man ein Angebot gut aufsetzt oder ein verbindliches Telefonat führt, kann ich jemandem beibringen. Werte wie Respekt, Vertrauen oder zukunftsorientiertes Denken jedoch nicht. Werte werden meistens im frühen Alter geprägt und sind daher im fortgeschrittenen Alter schon festgefahren. Daher ist es umso wichtiger zu schauen, ob man wirklich zusammenpasst – wichtig für beide Seiten, denn auch der Bewerber, zumal ein Berufseinsteiger, sollte nicht in einem Umfeld arbeiten, das nicht zu seinen inneren Motiven und Haltungen passt. Ein Werteabgleich ist nur fair und für beide Seiten sehr wichtig.
Werte und der Bewerbungsprozess
Bereits im Anschreiben achte ich auf Werte. Da ich noch nie eine Stellenanzeige geschaltet habe – es war schlicht nicht notwendig –, ist es für mich besonders interessant, wie die jeweilige Person auf uns aufmerksam geworden ist. Wenn sie zum Beispiel durch einen aktuellen Mitarbeiter empfohlen wurde, ist dies immer ein gutes Zeichen. Mitarbeiter sind schließlich die besten Recruiter. Auch wenn den Bewerber mein soziales Engagement angesprochen hat, deutet dies für mich auf ein ähnliches Wertesystem hin. Ausschlaggebend sind jedoch das persönliche Gespräch sowie ein Probetag, um einen ersten Eindruck darüber zu bekommen, ob die Person respektvoll, vertrauensvoll und zukunftsorientiert handelt.
1. Respekt
Ein respektvoller Umgang zeigt sich aber nicht nur an dem, was ein Bewerber gegenüber dem potenziellen neuen Chef und seinen neuen Kollegen zum Ausdruck bringt, , sondern auch an dem Ton, wie er über andere, externe Dritte redet. Wenn sich jemand zum Beispiel abfällig über seinen vorherigen Arbeitgeber oder seine Ausbildung auslässt, denke ich, dass der Bewerber dies auch über uns irgendwann tun würde. Ich versuche tatsächlich, immer auf einem fairen, sauberen Weg auseinanderzugehen und wünsche mir dies auch von meinen Mitarbeitern. Mir ist es daher wichtig, dass der Bewerber wertschätzend über seinen ehemaligen Arbeitgeber und andere vorherige berufliche Stationen spricht. Natürlich gibt es Gründe, warum er einen neuen Job sucht. Ein „die Aufgabenfelder haben sich verschoben" oder "ich passe nicht mehr ins Team" anstatt "mein Chef war ein Narzisst" tun es aber auch. Man weiß schließlich nie, wann und wie man sich wiedersieht. Eine Lästerpartie gehört für mich nicht ins Bewerbungsgespräch und auch nicht in ein gesundes Team.
In einem Probetag bei uns im Betrieb finde ich dann heraus, wie freundlich und hilfsbereit ein potentieller Mitarbeiter im Team wirklich ist. Wie geht er mit den Kollegen um? Stellt er Fragen? Verhält er sich so, wie er sich selbst beschrieben hat? Passt das reale Verhalten zu dem beschriebenen Haltungen? Hier kommt oft die Wahrheit ans Licht.
2. Vertrauen
Pünktlichkeit ist für mich ein großes Vertrauensthema. Pünktlich zu sein heißt, mit der Zeit anderer wertschätzend umzugehen. Wenn jemand also zum Bewerbungsgespräch zu spät kommt, ist dies für mich bereits ein Anzeichen für eine Wertedifferenz. Auch Ehrlichkeit kann man in einem Bewerbungsgespräch oft bereits heraushören, wenn zum Beispiel Zahlen unrealistisch klingen. Unwahrheiten etwa bei den Themen Gehalt oder Umsatzzielen können einem schnell um die Ohren fliegen.
Wenn es nötig ist, prüfe ich die Fakten wie Umsätze oder Aufgaben mit einem einfachen Anruf beim vorherigen Arbeitgeber nach. Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Ehrlich währt am längsten.
3. Zukunftsorientiertes Denken und Handeln
Ein Klassiker unter den Fragen beim ersten Kennenlernen ist, was den Bewerber an unserer Firma interessiert. Wenn er dann antwortet, dass er es spannend findet, wie wir uns zum Beispiel mit 3D Druck oder Virtual Reality auseinandersetzen, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass diese Person zukunftsorientiert und optimistisch denkt. Zudem sind die eigenen Fragen des Bewerbers an mich essentiell.
Wichtig ist auch, welche Fragen ein Bewerber an die anderen Mitarbeiter, das Team, seine potenziellen zukünftigen Kollegen richtet. Hat jemand keine Fragen an das Team, bedeutet dies oft, dass er keine Neugierde mitbringt oder sich nicht interessiert. Das aber ist fatal. Nur wer Interesse an neuen Themen und Menschen hat, möchte sich auch weiterentwickeln.
„Woran zweifelst du? Schau dir die Referenzen an. Schau dir die Umsätze an.“
Ich habe bereits etliche Bewerbungsgespräche geführt. Mit der Erfahrung habe ich auch gelernt, mehr auf mein Bauchgefühl zu hören. Nur dann, wenn ich ausnahmsweise mal gegen meine Intuition entschieden habe , bin ich auch auf die Nase gefallen. Ich hatte zum Beispiel einmal einen Außendienstler, der im Bewerbungsgespräch eiskalt gelogen hat. Ich hatte direkt ein unwohles Gefühl dabei. Früher kam dann aber der Kopf noch zu schnell ins Spiel: „Bist du blöd? Schau dir die Referenzen an. Schau dir die Umsätze an. Der Typ ist gut.“ Das Bauchzwicken ist dadurch aber nicht weggegangen und heute weiß ich, dass dies oft mit einem unterschiedlichen Wertebild zu tun hat.
Wie sehen Sie das? Haben Sie festgelegte Werte in Ihrem Unternehmen und achten Sie bereits im Bewerbungsgespräch darauf? Welche Werte sollte für Sie als Bewerber andersrum ein Unternehmen mitbringen?
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