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Dr. Alexandra Hildebrandt

Warum Glasrecycling ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz ist

Der Werkstoff Glas begleitet die Menschheit bereits seit Jahrtausenden. Bei höherer Materialstärke ist er auch sehr ­belastbar und strapazierfähig. Seine Chemie und seine Physik sind nicht leicht zu fassen. Früher war Glas ein teures Material. Wer es sich leisten konnte, hatte schon in Rom und in Pompeji kleine Glasfenster. Heute findet es Verwendung als Baustoff, in der Innenarchitektur und genießt insbesondere als Packstoff hohes Vertrauen in der Bevölkerung. 60 Prozent der Europäer bevorzugen Glasflaschen gegenüber anderen Verpackungen, wenn sie die Wahl haben.

Ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz ist das Glasrecycling: Die Emissionen, die bei der Sammlung und beim Transport von Altglas anfallen, sind geringer als die Emissionseinsparungen in den Glaswerken. Je 10 % Altglas bei der Produktion von neuen Glasverpackungen reduzieren 3 % Energieverbrauch und 7 % CO2-Emissionen. Glas kann ohne Qualitätsverlust beliebig oft eingeschmolzen und neu geformt werden. Rund 230.000 Tonnen Altglas werden jährlich aufbereitet.

Hinzu kommt, dass kleine Einschlüsse und Unregelmäßigkeiten im Material den Gläsern eine besondere Ausdruckskraft und Individualität verleihen. Bei Klarglas variiert je nach Altglas-Charge der feine grünliche Schimmer und die ungewöhnliche Lichtbrechung – ein Ausdruck für die konsequent ökologische Herkunft.

Seit über 30 Jahren werden in der niederösterreichischen Nibelungenstadt Pöchlarn Glasverpackungen für den nationalen und internationalen Markt produziert. Das Werk gehört wie jenes im oberösterreichischen Kremsmünster zum Schweizer Familienunternehmen Vetropack. Gemeinsam mit dem Glaswerk der Stölzle Oberglas in Köflach sind sie die Säulen des österreichischen Glasrecyclings.

Glasrecycling ist ein natürlicher regionaler Ressourcenkreislauf, der in Österreich auf ausgereiften Organisations- und Logistikstrukturen basiert. Um die Klimavorteile von Glasrecycling zu steigern, setzt Austria Glas Recycling seit Jahren auf green logistics, also auf Maßnahmen, die die Redistributionslogistik möglichst ökologisch sein lassen. Im herkömmlichen Modell erfolgt die Anlieferung der gesammelten Scherben von den Umladestationen zu den österreichischen Glasverwertern ausschließlich mit LKW auf der Straße. Das Unternehmen transportiert 69 % der Altscherben umweltfreundlich mit der Bahn zu den Verwertern in Österreich. Der Anteil des Straßentransportes ab den Umladestationen beträgt weniger als ein Drittel.

Ein wichtiges Maß für die ökologische Vorteilhaftigkeit von Produkten ist der Carbon Footprint, der Auskunft über die Treibhausgasemissionen gibt, die ein Produkt im gesamten Lebenszyklus verursacht. Das green-logistics-Modell der Austria Glas Recycling reduziert den Carbon Footprint der Anlieferung von Altscherben zu den österreichischen Verwertern um 47 %.

Auf Teelichtgläser, Trink- und Weingläser sowie Schalen aus Recyclingglas setzen auch zahlreiche deutsche Ökoanbieter in ihren Sortimenten. Viele Produkte werden in Spanien aus Altglas gefertigt und sparen so wertvolle Ressourcen. In Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten und ausgewählten zertifizierten Recyclingunternehmen sucht beispielsweise die memo AG für die zurückgesendeten Produkte sinnvolle Verwertungsalternativen. „Gibt es für ein Produkt keine geeignete Lösung, demontieren wir es – sofern technisch und wirtschaftlich möglich – in reine Wertstoffe und führen diese einer stofflichen Verwertung zu. Im Rahmen unseres Rücknahmesystems berücksichtigen wir selbstverständlich die aktuellen gesetzlichen Vorschriften“, sagt Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation leitet. Der Hauptanteil Glas wird geschmolzen und vorrangig zu neuen Glasprodukten verarbeitet. Auf diese Weise werden nicht nur Rohstoffe, sondern auch Primärenergien eingespart.

Glasflaschen für Spirituosen landen nach Gebrauch häufig im Altglascontainer. Was sich daraus machen lässt, zeigt ein Jungunternehmer aus den USA: Er entwickelte ein Gerät für den Privatgebrauch, das Glasflaschen schneiden kann: Das Gerät (Kinkajou) wird an der zu schneidenden Stelle an der Flasche angesetzt und gedreht. Anschließend wird die Glasflasche mit heißem Wasser übergossen, dann bricht die Flasche an der vorher perforierten Stelle entzwei. Danach werden mit einem beigelegten Sandpapier scharfe Kanten entfernt - und das Trinkglas oder die Vase ist fertig. Recycling als Kulturtechnik macht Kreislaufwirtschaft nahbar und beginnt mit Circular Thinking.

Weiterführende Literatur:

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Verpackt oder unverpackt? Warum Stoffkreisläufe eine Frage der Nachhaltigkeit sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2018.

Hans Magnus Enzensberger: Eine Experten-Revue in 89 Nummern. Suhrkamp Verlag Berlin 2019.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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