Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Warum Informationsverschmutzung genauso schädlich ist wie Umweltverschmutzung

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Das Interesse der Menschen an Informationen und am Zeitgeschehen ist sehr hoch - und Grundlage für eine funktionierende Demokratie. 

Informationen sind heute jederzeit sofort verfügbar. Das hat unseren Alltag massiv beschleunigt und vereinfacht. Doch angesichts der zunehmenden Menge an Informationen ist es für viele Menschen schwer geworden, Echtes von Falschem zu unterscheiden. Durch die Omnipräsenz von Informationen werden wir täglich auch mit weit mehr Daten konfrontiert, als wir verarbeiten können. Das hat ähnliche gesamtgesellschaftliche Auswirkungen wie andere historische Umbrüche. So wie die industrielle Revolution zu Luft-, Wasser- und Umweltverschmutzung geführt habe, habe das Digitalzeitalter durch seine Informationsflut zu einer „Informationsverschmutzung“ geführt. Experten sprechen auch von „Datensmog“. Boleslaw Szymanski vom Rensselaer Polytechnic Institute bemerkt: „Wir brauchen weitere interdisziplinäre Forschung zur Informationsüberflutung, Informationsökologie muss in der Schule gelehrt werden und wir müssen eine Diskussion über gesetzgeberische Möglichkeiten beginnen.“ Ähnlich dem „Clean Air Act“ von 1956 in Großbritannien brauche es weltweit „Clean Information Acts“, die den Informationsfluss filtern und regulieren. Mit ihrem Schreiben wollen die Autoren auf das Problem aufmerksam machen, damit künftig verstärkt nach Lösungen gesucht wird (Nature Human Behaviour, 2024).  Ähnlich wie bei anderen Umweltproblemen müsse dieses durch rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen eingedämmt werden.

Negative Effekte der Informationsflut

  • Sie versetzt uns in einen permanenten Alarmzustand.
  • Der „confirmation bias“ erfasst Bestätigungen der eigenen Meinung rasch, blendet andere Informationen aus, oder beurteilt sie als weniger vertrauenswürdig.
  • Reizüberflutung durch digitale Informationen ist eine große Belastung für unser Gehirn. Mit der Informationsflut verkürzt sich unsere Aufmerksamkeitsspanne.
  • Die emotionale Gesundheit und Arbeitsleistung wird beeinflusst: Zufriedenheit und Motivation im Job sinken und machen unglücklicher.
  • Es herrscht in Social Media eine Empörungsökonomie: Polarisierende Inhalte erzeugen mehr Aufmerksamkeit und Engagement. Viele Menschen können glaubwürdige Inhalte nicht mehr von unseriösen trennen.
  • Informationen können nicht mehr „verdaut“ und verarbeitet werden – das beeinflusst auch das Treffen von Entscheidungen.
  • Viele Menschen bewegen sich auf Social Media in einer Filterblase.
  • In falschen Händen kann KI ein mächtiges Instrument für Manipulation und Desinformation sein.
  • Soziale Kontakte werden eingeschränkt.
  • Reines Merken und Erinnern von Daten und Fakten verliert an Bedeutung.
  • Konstruktiven Journalismus ordnet Fakten ein – dennoch haben negative Nachrichten, Skandale und dramatische Ereignisse haben eine erhöhte Aufmerksamkeit.
  • Immer mehr Menschen wenden sich von Qualitätsjournalismus und Nachrichten ab. „News-Deprivation“ hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
  • Es fällt vielen Menschen zunehmend schwer, angesichts der Fülle an Nachrichten, Quellen und Informationen den Überblick zu bewahren: Überforderung und ein daraus resultierender Nachrichten-Eskapismus können Desinformation und Fake News den Weg bereiten.

Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter 1.002 Internetnutzerinnen und -nutzern in Deutschland ab 16 Jahren, die der Digitalverband Bitkom anlässlich des 75. Jahrestages des Grundgesetzes durchgeführt hat:

Durch die neuen Medien sind Beruf und Privatleben verschmolzen: 29 Prozent der Berufstätigen sind auch außerhalb der Bürozeiten jederzeit erreichbar. 12 Prozent der Berufstätigen sind nie in ihrer Freizeit erreichbar. Weitere 14 Prozent sind in Ausnahmefällen in der Freizeit zu erreichen. 28 Prozent der Mitarbeitenden nutzen das Internet am Arbeitsplatz täglich auch für private Zwecke, 22 Prozent tun dies gelegentlich oder sporadisch.

80 Prozent der Nutzer einer beruflichen E-Mail-Adresse prüfen permanent oder mehrfach am Tag, ob sie neue Nachrichten erhalten haben. 55 Prozent würde höchstens einen Tag auf die beruflichen Mails verzichten. Berufstätige leiden nicht unter einer Flut unwichtiger E-Mails, sofern der Spam-Filter richtig eingestellt ist. Durchschnittlich gehen 13 E-Mails pro Tag bei einem beruflichen Nutzer ein.

85 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer stimmen der Aussage zu, es sei insgesamt schwer, den Wahrheitsgehalt einzelner Meldungen zu überprüfen. 85 Prozent sind der Meinung, dass Falschmeldungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören. 76 Prozent sehen Falschmeldungen als mitverantwortlich dafür, dass extreme Parteien in Deutschland an Einfluss gewinnen.67 Prozent derjenigen, die sich im Internet über aktuelle Ereignisse und das Zeitgeschehen informieren, haben in den vergangenen 12 Monaten Falschmeldungen wahrgenommen, davon 11 Prozent häufig, 31 Prozent gelegentlich und 25 Prozent selten. 18 Prozent haben keine Falschmeldungen wahrgenommen, 15 Prozent sind sich nicht sicher oder machen dazu keine Angabe. 51 Prozent) sind in den vergangenen 12 Monaten Falschnachrichten zum Thema Flüchtlinge und Zuwanderung aufgefallen. 47 Prozent haben Falschmeldungen zum Thema Russland und ebenso viele zum Angriffskrieg auf die Ukraine bemerkt. 43 Prozent haben auch Falschmeldungen zum Israel-Gaza-Krieg und 41 Prozent insgesamt zum Thema Politik und Parteien in Deutschland wahrgenommen. 40 Prozent haben Falschmeldungen zur Umwelt- und Klimakrise gesehen, 37 Prozent zu Demonstrationen und Protesten in Deutschland, 35 Prozent zu Prominenten.

90 Prozent der Menschen, die online Nachrichten aufnehmen, wünschen sich angesichts der Nachrichtenfülle den einen Ort im Netz, an dem sie verlässliche und wahre Informationen finden.

Die Informationsflut aus den Medien überfordert 31 Prozent der Deutschen häufig und weitere 30 Prozent manchmal. Betroffen sind vor allem Ältere: 39 Prozent der Deutschen ab 65 Jahren haben häufig ein Überflutungsgefühl. In der Generation der 14- bis 29-Jährigen, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist, fühlt sich nur jeder siebte häufig von Informationen überflutet.

80 Prozent könnten wegen KI nicht sicher sagen, welche Fotos und Videos im Netz echt sind, zugleich würde es aber 33 Prozent nicht stören, Online-Artikel zu lesen, die von einer KI geschrieben wurden. 30 Prozent fänden es gut, wenn ihnen eine KI passende Nachrichten-Inhalte vorschlägt. 92 Prozent meinen, dass Nachrichten-Artikel gekennzeichnet werden sollten, wenn eine KI an ihrer Erstellung beteiligt war.

Bewusste Kommunikationspausen sind wichtig für die Erholung oder konzentrierte Arbeit. Derselben Meinung ist die Mehrheit der Deutschen. 38 Prozent der Internetnutzer legen gelegentlich Wert auf Internet-freie Tage, weitere 17 Prozent machen das sogar häufig. Ein Fünftel hingegen übt von sich aus nie Internetverzicht für einen ganzen Tag. Von den Handybesitzern schalten 41 Prozent ihr Mobiltelefon nachts und 40 Prozent im Urlaub ab oder stumm. Jeder fünfte Handybesitzer lässt das Handy aber immer an.

Konsumieren von Nachrichten: Das Lesen von Texten ist bei 48 Prozent am beliebtesten - dieser Wert ist bei den Älteren ab 65 Jahren (59 Prozent) mehr als doppelt so hoch als bei den Jüngeren unter 30 Jahren (28 Prozent). 20 Prozent sehen am liebsten Bilder mit kurzen Texten an, wie sie vor allem in Social Media verbreitet werden. Dies sagt 30 Prozent der Generation U30 von sich und nur 10 Prozent der Gruppe ab 65 Jahren. 17 Prozent bevorzugen Bewegtbild, also Videos (16-29 Jahre: 26 Prozent; 65+: 15 Prozent). 11 Prozent hört am liebsten Audio-Beiträge oder Podcasts.

Medienkompetenz muss in der Schule beginnen und darf im Alter nicht aufhören. Sie muss in der gesamten Breite der Gesellschaft entwickelt werden: Internetnutzerinnen und -nutzer müssen befähigt werden, Informationen kritisch zu bewerten und mögliche Falschinformationen selbst zu erkennen.

An erster Stelle beim Medienkonsum steht das Fernsehen mit fast vier Stunden. Dieses wird auch von 71 Prozent der Bundesbürger als Grund für die Informationsflut genannt. 43 Prozent nennen das Internet (täglich etwa 100 Minuten aktiv). Drei Viertel der Nutzer können sich ein Leben ohne nicht mehr vorstellen und kaum jemand möchte auf die Möglichkeiten des Internets verzichten. Wird die Nutzung von Fernsehen, Radio, Internet und Telefon addiert, ergeben sich fast neun Stunden Nutzungszeit.

Nachrichten-Websites und Apps: 47 Prozent informieren sich in der Regel über Webseiten und Apps von klassischen überregionalen, lokalen oder internationalen Printmedien (z.B. spiegel.de, bild.de, faz.net). 44 Prozent informieren sich über Webseiten oder Apps von öffentlich-rechtlichen sowie privaten Fernseh- und Radiosendern (z.B. tagesschau.de, wdr.de, n-tv.de). Dahinter folgen die Startseiten von Internetzugangsprovidern wie t-online.de, gmx.de oder web.de (35 Prozent), Webseiten oder Apps von Fachmedien beispielsweise zu Themen wie Mobilität oder Sport (21 Prozent) sowie News-Webseiten, die ausschließlich online erscheinen (16 Prozent). 11 Prozent geben an, sich auf Seiten von Redaktions- und Rechercheverbünden wie correctiv.org u.a. zu informieren.

Social Media: Bei den unter 30-Jährigen ist Instagram mit 90 Prozent der Spitzenreiter. Mit Abstand folgen in dieser Altersgruppe WhatsApp (50 Prozent), TikTok (44 Prozent), Facebook (39 Prozent), X bzw. Twitter (27 Prozent) und Snapchat (22 Prozent). Bei den über 30-Jährigen spielt Facebook (68 Prozent) die größte Rolle beim Nachrichtenkonsum in sozialen Medien, gefolgt von WhatsApp (67 Prozent), Instagram (50 Prozent), Telegram (24 Prozent), TikTok (23 Prozent), X (17 Prozent) und LinkedIn (13 Prozent).

Nicht nur in sozialen Medien, sondern generell beim Nachrichtenkonsum im Netz werden regelmäßig nur die Überschriften und nicht die ganzen Artikel gelesen: 54 Prozent tut dies nach eigener Aussage sogar häufig. Gleichzeitig kritisieren 86 Prozent derjenigen, die online Nachrichten konsumieren, dass die Überschriften oft mehr versprechen, als im Artikel steht. 88 Prozent empfinden Überschriften zu oft als reißerisch und auf Klicks ausgerichtet.

Verantwortung für die Überprüfbarkeit von Falschmeldungen bzw. Fake News: 32 Prozent sehen die sozialen Netzwerke in der Pflicht, 16 Prozent eine unabhängige Einrichtung und 12 Prozent den Staat. Fast ein Drittel (31 Prozent) findet, jede einzelne Person sei für die Überprüfung einer Nachricht in sozialen Medien auf ihren Wahrheitsgehalt hin primär selbst zuständig. Nur 3 Prozent meinen, niemand solle Falschmeldungen prüfen – die Netzwerke sollten vielmehr das Teilen aller Meinungen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt ermöglichen.

Tipps zum richtigen Umgang mit Informationsflut

  • Wird ein wichtiger Anruf erwartet, während Störungen unerwünscht sind, helfen Rufumleitungen. Jemand anderes nimmt den Anruf entgegen und kann dann bei wirklich wichtigen Anrufen Bescheid geben.
  • Die Beantwortung von SMS/Whats App muss nicht sofort erfolgen - eine Verzögerung von 24 Stunden ist bei nicht dringenden Angelegenheiten in Ordnung.
  • Beim E-Mail-Abrufen via Handy sollte anstelle der Push-Funktion der Abruf manuell vorgenommen werden.
  • Bei E-Mails reicht eine Antwort binnen 24 Stunden aus. Wird eine Antwort kurzfristig nötig, sollte das im Betreff mit dem Zusatz „Dringend“ oder mit der Kennzeichnung mit Ausrufezeichen deutlich gemacht werden.
  • Die Funktionen „CC“ und „Allen antworten“ erlaubt den gezielten Versand von E-Mails an diejenigen, die die Informationen der E-Mail wirklich brauchen.
  • Bei Konzentration lassen sich Benachrichtigungen über neue E-Mails auf dem Bildschirm und die akustischen Signale abstellen. Mithilfe von Filterregeln lassen sich die E-Mails in Unterordner umleiten, sodass weniger wichtige Mails später bearbeitet werden können. (Quelle: Bitkom)
  • Bereits in der Schule sollte gelehrt werden, wie sich Falschmeldungen und Fake-News identifizieren lassen.
  • Es braucht Lebenserfahrung, um Nachrichten und das eigene Bauchgefühl besser einordnen zu können (Bewertungsmaßstab). 
  • Journalisten sollten neben der sachlichen Ereignisberichterstattung auch Akteure zu Wort kommen lassen, die an Lösungen für die Gesellschaft arbeiten.
  • News auf Social Media können auf ein Thema hinweisen, sind aber höchstens ein Einstieg, um sich danach mit seriösen Quellen auseinanderzusetzen. 

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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