Warum ausreichend Schlaf für Erfolg und Kreativität im Job unverzichtbar ist
In unserer Leistungsgesellschaft ist Schlaf ein lästiger Zeitverlust. Dass wir ein Drittel unseres Lebens verschlafen, halten einige Menschen geradezu für verwerflich. Doch wer nicht ausreichend schläft, hat ein doppelt so hohes Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr und ist weniger produktiv.
Charles Czeisler, Professor an der Harvard University in Cambridge, bemerkte vor einigen Jahren sogar, dass müde Manager wie Betrunkene handeln. Oft treffen sie Entscheidungen erst spät in der Nacht, wenn die das operative Geschäft erledigt ist, oder kehren nach Dienstreisen erschöpft direkt ins Büro zurück. Kein Patient würde sich einem alkoholisierten Arzt anvertrauen.
Schlafstörungen treten aber vor allem bei Schichtarbeit gehäuft auf. Früh- und Nachtschichten werden von den meisten Beschäftigten als am belastendsten für das eigene Schlafvermögen erlebt. Studien legen die Vermutung nahe, dass der Schlaf im Drei-Schicht-System häufiger gestört ist als bei reiner Tagschicht.
Schlafstörungen sind durch eine Diskrepanz zwischen subjektivem Schlafbedürfnis und subjektivem Schlafvermögen gekennzeichnet. Unterschieden wird zwischen:
- Insomnie: subjektiv gestörter Schlaf (Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen). Betroffene leiden auch an schichtfreien Tagen (Freiphasen, Wochenende und Urlaub) an einer Schlafstörung.
- Schichtarbeitersyndrom: Störungen des Schlafs und/oder schläfrigkeitsbezogene Einschränkungen am Tage im direkten Zusammenhang mit dem Schichtplan und der Schichttätigkeit.
Als Ursache für Schlafstörungen wird eine Verschiebung chronobiologischer Rhythmen wissenschaftlich diskutiert (die Arbeitszeiten passen nicht zum biologischen Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen).
Auswirkungen
- Somatische Beschwerden (Kopfschmerzen, gastrointestinale Symptome oder Muskelbeschwerden)
- Erhöhtes Krebsrisiko
- Erhöhte Fehler- und Unfallfrequenz
- Gedächtnis- bzw. Konzentrationsstörungen
- Mangelnde Leistungsfähigkeit
- Müdigkeit und Erschöpfung
- Eingeschränkte Tagesbefindlichkeit (Nervosität, Gereiztheit und verstärkte Stimmungsschwankungen)
- Psychische Störungen und Störungen des sozialen Lebens.
In den USA wird sogar von einer Sleep Crisis gesprochen. Der Schaden für die Volkswirtschaft beträgt etwa 411 Milliarden Dollar – jährlich! Der Versicherungskonzern Aetna führte inzwischen ein Prämiensystem ein, bei dem Mitarbeitende einen 500-Dollar-Bonus erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht schlafen.
In Deutschland legen Studien einen wirtschaftlichen Schaden bei Schlafmangel infolge Absentismus und Präsentismus von 1,6 % des Bruttosozialproduktes nahe. Laut einer Studie der Denkfabrik Rand Europe werden in der deutschen Wirtschaft durch Müdigkeit am Arbeitsplatz jährlich rund 60 Milliarden Euro vernichtet. Beschäftigte sind bei Erkrankungen mit begleitenden Schlafstörungen 2,8-fach länger krank als Personen mit denselben Erkrankungen, die nicht unter Schlafstörungen leiden (ein Tag Arbeitsunfähigkeit wird kalkulatorisch mit bis zu 500 Euro veranschlagt).
Die Präsentismus-Forschung beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Erkrankungen während der Arbeit. Es geht um Menschen, die trotz Krankheit oder Krankschreibung weiterhin zur Arbeit erscheinen und dadurch den Unternehmen ebenfalls hohe Kosten entstehen. Was lässt sich nun dagegen unternehmen?
Betriebliche Maßnahmen zur Schlafförderung
- Behandlung von Schichtarbeitenden mit Schlafstörungen (Tertiärprävention) im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) und Vorbeugung von Schlafstörungen bei Schichtarbeit (Primärprävention)
- Beratung der Beschäftigten mit schichtbedingten und stressbedingten Schlafstörungen sowie schlafmedizinische Fortbildungsveranstaltungen im Unternehmen
- Informationen zur Schlaf-Wach-Strukturierung und zur Erkennung des eigenen Chronotypus mit ihren jeweiligen Auswirkungen auf den Schlaf in der jeweiligen Schicht
- Menschen über 45 Jahren sollten weniger Nachtschichten machen müssen und früher in Pension gehen dürfen
Mit diesen unterstützenden Maßnahmen kann jeder Einzelne für sich ausprobieren, wie die Nacht wirklich erholsam wird.
Regeln der Schlafhygiene
- Vermeidung abendlicher sportlicher Aktivitäten
- Keine Elektrogeräte im Schlafzimmer
- Entspannungsmethoden
- Keine koffeinhaltigen Getränke mehr ab spätestens 15 Uhr
- Nicht hungrig und nicht mit vollem Magen zu Bett gehen
- Keine nervenaufreibende Lektüre und Filme vor dem Schlafengehen
- Regelmäßiges Lüften (klassisches Stoßlüften)
- Gute Luftzirkulation durch atmungsaktive Materialien
- Feste Rhythmen und Strukturen (möglichst immer zur selben Zeit ins Bett gehen und aufstehen)
- Optimale Schlaftemperatur: zwischen 16–19 Grad Celsius
- Nachtschlaf ist am gesündesten (sieben Stunden pro Nacht sollten es im Durschnitt bei Erwachsenen sein, acht bei Jugendlichen)
- Mittagsschlaf baut Stress ab und macht frisch im Kopf
- Topfpflanzen und Schnittblumen im Schlafzimmer vermeiden
- Ausreichende Verdunkelung in der Nacht.
Weiterführende Informationen
- Gut schlafen statt erliegen: Was regenerative Unternehmen und gutes Selbstmanagement verbindet
- Nachhaltigkeit und Gesellschaft: Schlaf muss eine leistungsfreie Zone bleiben
- Interdisziplinäre Medizin, Land + Innovation geht nicht? Geht doch!
- Irene Nierhaus / Kathrin Heinz (Hg.): Matratze/Matrize. Möblierung von Subjekt und Gesellschaft. Konzepte in Kunst und Architektur. transcript Verlag, Bielefeld 2016.
- Alexandra Hildebrandt: Schlaf: Warum alle erliegen, die den Kürzeren haben. Edition Kindle 2022.
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