Was es bedeutet, dem unbequemen Mahner Jesus nachzufolgen
Die Erfolgsgeschichte Jesu Christi
Jesus war immer nur überall Gast in einem unsteten Leben. Ihm zu folgen bedeutet, nicht nur leise und brav, sondern auch mutig zu sein. Denn wo alles laut ist und sich die Wut entlädt, braucht es vor allem Mut zur Besonnenheit und Reflexion. Es ist mutiger, nüchtern optimistisch, selbstbeherrscht und nachdenklicher zu sein als empört. Früher stand das Wort „muot“ für „tollkühn“ – der Mut hat sich jedoch nachhaltig weiterentwickelt. Mut ist das kleine Verbindungsstück zwischen Wollen und Handeln. Für die Schriftstellerin Hera Lind war Jesus ein unglaublich mutiger Mann, weil er den Mut hatte, gegen den Strom zu schwimmen. „Und obwohl er die Gefahr vor Augen hatte, ging er seinen Weg konsequent zu Ende.“ Jesus hat in seinem Angriff gegen die lieblos Richtenden ein passendes Modell geliefert: „Wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen – und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler …“ (Matthäus, 7, 1-5) Im Neuen Testament finden sich zahlreiche Wölfe im Schaftspelz und Moralisten mit dem Balken im Blick. Der Philosoph Peter Sloterdijk erinnert in seiner „Kritik der zynischen Vernunft“ an die Erscheinung Jesu, der einem olympischen Athleten ähnelt, wie er seinen Zeitgenossen und Jüngern vor Augen gestanden haben mag: ein junger und kraftvoller Mann, der von Triumph zu Triumph zieht und deshalb auch Neid und Eifersucht auf sich zieht. Erst am Ende besiegen ihn seine Neider und Gegner – „ein Sieg, der sich für sie jedoch als Phyrrhussieg erweist, weil sie mit diesem Sieg am Ende alles verlieren“. Die biblische Geschichte ist für Sloterdijk eine Erfolgsgeschichte Jesu Christi, der sogar oder gerade in der Niederlage triumphiert.
Das berühmte Zitat des Apostels Paulus aus dem 1. Korintherbrief (9, 24-27) kommt deshalb nicht von ungefähr: „Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele Läufer teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis. Darum lauft so, dass ihr den Preis gewinnt. Jeder, der an einem Wettlauf teilnehmen will, nimmt harte Einschränkungen auf sich. Er tut es für einen Siegeskranz, der verwelkt. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der niemals verwelkt. Darum laufe ich wie einer, der ein Ziel hat. Darum kämpfe ich wie einer, der nicht in die Luft schlägt. Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, so dass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich möchte nicht andere zum Wettkampf auffordern und selbst als untauglich ausscheiden.“ In diesem Bibel-Zitat wird der historische Kontext der antiken Agonistik lebendig: Zurzeit Jesu war jedem Bewohner des Mittelmeerraums bewusst, was ein Wettlauf ist, und dass man beim Wettlauf siegen möchte, um reich belohnt zu werden. Jesus Christus und alle, die ihm folgen, besonders seine „Jünger“, werden als „Athleten des Evangeliums“ gesehen, wie Uta Poplutz ihre motivgeschichtliche Studie zur Wettkampfmetaphorik bei Paulus betitelte. Die frühchristlichen Mönche in Griechenland nannten sich „Athleten Christi“, weil sie dem Herrn in seiner asketischen Lebensführung, die der von Hochleistungsathleten entsprach, nacheifern wollten.
Dr. Theo Zwanziger machte sich vor einigen Jahren als DFB-Präsident unter dem Motto "1:0 für die Liebe" Gedanken über das von Jesus geforderte Doppelgebot der Liebe „Liebe Gott sowie deinen Nächsten wie dich selbst“. Für den Sport bedeute das, den Menschen Fairness und Achtung vor allen Menschen, aber auch sich selbst zu vermitteln. Der christliche Glaube habe ihn mit dieser Botschaft ein Leben lang so intensiv begleitet wie der Fußball, so Zwanziger. „Ohne Nächstenliebe kann auch im Fußball nichts funktionieren.“ Ein Christ darf nicht abseits stehen, er soll sich am Leben beteiligen, am Wettlauf teilnehmen, er soll sich anstrengen, üben und trainieren (das bedeutet der griechische Begriff askesis), um den ersten Preis zu gewinnen, auch wenn er weiß, dass nur einer, der Sieger, den Preis bekommen kann. Aber deshalb sind Mühe und Anstrengung nicht vergeblich, sondern Voraussetzungen dafür, dass ein Christenmensch den Siegeskranz erringen kann, „der niemals verwelkt“.
„Jesus hat vieles neu gedacht und noch mehr neu gemacht. Doch dieses Neue wurde im Laufe von 2.000 Jahren verschüttet und durch falsche Übersetzungen oder bewusste Fälschungen übertüncht und deshalb unverständlich, ja geradezu pervertiert“, schreibt der Journalist Franz Alt, für den die heutige kirchliche Lehre allerdings häufig mit Jesu Lehre nichts mehr zu tun hat: „Den wirklichen Jesus finden wir in seiner Muttersprache. Deshalb sollte das Neue Testament endlich ins Aramäische rückübersetzt und dann in alle Sprachen der Welt neu übertragen werden. Es gilt, das geistige Eigentum Jesu wiederherzustellen.“
Wer Jesus Christus vor Augen hat, kämpft nicht vergebens: Er legte sich mit den frommen Pharisäern an und trieb mit der Peitsche die Geldwechsler und Taubenhändler aus dem Vorhof des Tempels. „Der auf einer dieser Partys seine Bergpredigt zum Besten gab, in der er das ganze Regelwerk der Tora kurzerhand auf den Kopf stellte und im krassen Gegensatz zum Alten Testament das Heil schon für die Jetztzeit und unbeschränkt für alle ausgerufen hat? Und was haben wir in den vergangenen 2000 Jahren davon aufgeschnappt und umgesetzt?“, fragt der Businessexperte Hermann Scherer in seinem Buch „Schatzfinder“.
Grund unter den Füßen
Wenn Hermann Scherer Ruhe und Frieden in sich fühlt, dann spürt er auch ein Gefühl der Dankbarkeit und gibt zu, dass Gott uns den richtigen Weg weist, „insbesondere und gerade dann, wenn wir glauben, dass er es nicht tut“. Gerade dann erlaubt er sich zu sagen: „Gott, ich gehe all deine Wege mit dir, egal, wohin du mich führst.“ Für den Managementberater scheint Demut das zu sein, was das Leben ausmacht. Demut hängt mit Bodenständigkeit („Grund unter den Füßen“) zusammen. Das Wort kommt von „diomuoti“ („dienende Gesinnung“) und drückt die Bereitschaft aus, andere als Hilfe und Korrektiv an sich arbeiten zu lassen.
Gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir Demut, Glauben und das Vertrauen, dass die Wege, „wohin sie uns auch führen, gute Wege sein werden“. Hermann Scherer geht es dabei um eine grundsätzliche Einstellung: An wen wir auch immer wir glauben (oder nicht) – „es“ hat uns ermöglicht, dass sich jeder von uns in die Welt einbringen kann. Nur wer als gläubiger Mensch an das Leben nach dem Tod glaubt, sieht im Tod eine lebensbegrenzende Maßnahme des Schöpfers. Im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.“ Doch wer den Tod als absolutes Ende versteht, dann ist er ein Schlusspunkt: aus und vorbei. Dieser Unterschied in der Interpretation des Todes hat enorme Auswirkungen auf das Leben, wie Scherer nachweist: Der Mensch schafft Grenzen, um die Welt begreifen zu können und daraus Möglichkeiten seines Denkens und Handelns zu gewinnen. Was hat die Vorstellung, dass der Tod kein absolutes Ende ist, für Vorstellungen freigesetzt! Und wozu hat er Menschen schon zu Lebzeiten befähigt! Scherer meint damit nicht nur den Kölner Dom und zeichnet das große Bild der Nachhaltigkeit: Hätte sich die moderne Zivilisation über Jahrhunderte entwickelt, wenn niemand an ein Leben nach dem Tod geglaubt hätte? Wenn jeder gedacht hätte, dass nach ihm die Sintflut kommt und alles vorbei ist? Wohl kaum.
Weiterführende Literatur:
Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat. Eine Auferweckung. Gütersloher Verlagsanstalt, Gütersloh 2015.
Alexandra Hildebrandt: Tiefe des Glaubens: Warum wir ganz unten nicht verloren sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Hanno Gerwin: Was Deutschlands Prominente glauben. Gütersloh 2005.
Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft. Frankfurt am Main 1983.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.