Was uns nicht zur Ruhe kommen lässt - und wie uns die TCM wieder ins Gleichgewicht bringt
Interview mit Rita Vogel-Widemann
Rita Vogel-Widemann ist Heilpraktikerin und arbeitet mit Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM). Sie führt eine Praxis für traditionelle chinesische Medizin. Auf eine dreijährige Grundausbildung bei Claude Dialosa folgte eine vierjährige Ausbildung in Kräuter- und Rezepturenlehre bei Nadine Zech. Als staatlich geprüfte Masseurin und Lymphdrainage-Therapeutin hatte sie schon immer Kontakt zu alternativen Heilmethoden.
Frau Vogel-Widemann, im Gegensatz zur westlichen Medizin erfolgt in der die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) eine ganzheitliche Betrachtung der Patienten. Bei welchen Beschwerden ist die TCN in der Regel besonders geeignet?
In der chinesischen Medizin wird der Mensch grundsätzlich als eine Einheit aus Körper, Geist und Seele betrachtet. Die chinesische Medizin ist ein System, dass den Menschen dort unterstützt, wo ein Defizit (z.B. Stase, Blockade, Mangel) vorhanden ist. Die TCM ist sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen hervorragend. Wobei bei einer chronischen Erkrankung ein längerer Behandlungszeitraum nötig ist, um das Gleichgewicht und somit die Gesundung wieder herzustellen.
Was erwartet Menschen, die sich zum ersten Mal in eine Behandlung nach TCM begeben?
Es erwartet ihn/ihr eine Anamnese, die deutlich umfangreichere Fragen zu Aspekten wie beispielsweise Appetit, Bauchschmerzen, Durst, das Trinkverhalten, Urin, Stuhlgang, Schlaf, Temperaturempfinden, Haut, Energie, emotionale Verfassung, Lebensgewohnheiten umfasst. Ergänzend danach erfolgt die chinesische Pulsdiagnostik, die die entscheidenden Hinweise auf den Zustand des Körpers und der Organe gibt. Je nach Beschwerdebild erfordert es auch einer körperlichen Untersuchung. Auf Grund der Ergebnisse wird ein Behandlungsplan erstellt. Die Therapie besteht aus einer Kräuterrezeptur und/oder mit Akupunktur, Schröpfen und Moxa. Ebenso wird oft auch mit einer Ernährungsberatung und weiter Hinweise auf Bewegungsformen wie z.B. Qigong oder Yoga aufgeklärt. Wichtig ist, dem Patienten zu erklären, was die Ursache für seine Erkrankung ist und ihm damit ein Stück weit Klarheit zu geben.
Was behindert den Schlaf? Wie kann die TCM bei Schlafstörungen helfen? Was gehört zu den wichtigsten Methoden in der Diagnostik von Schlafstörungen in der TCM?
Was unseren Schlaf behindert, sind meist die viel zu vielen Reize, die wir in unserer hektischen Welt ausgesetzt sind. Selten sind es organische Störungen. Die wichtigsten Methoden in der Diagnostik ist die Pulsdiagnostik, um zu differenzieren, um welche Art der Schlafstörung es sich handelt. Man unterscheidet die Einschlafstörung und Durchschlafstörung, welche oft auch kombiniert sind.
Was sind die Ursachen für Schlafstörungen in der chinesischen Medizin?
Hier unterscheiden wir neben den Ein- und Durchschlafstörungen zusätzlich Fülleschlafstörungen und Leereschlafstörungen:
Die Fülleschlafstörung ist eine Stagnation oder Blockade im Energiefluss. Die Ursachen hierzu sind zum einen, eine konstitutionelle Form mit einer schwachen Mitte (Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse) und - wie oben schon erwähnt - die vielen Reize, denen wir ausgesetzt sind. Es ist das zu viele Denken, oft das Grübeln, die zu viele Arbeit, Druck, Stress, Sorgen, Anspannung und das ständige Erreichbar sein.
Die Leereschlafstörungen sind dagegen ein tiefgreifender Erschöpfungszustand. Es ist ein großer Mangel an Substanz, im chinesischen spricht man dann von Yin-Mangel bzw. Blutmangel. Es betrifft die gesamte Konstitution, meist sind es erwachsene Personen die viele, viele Jahre nicht auf ihrem Körper gehört haben. Viele Jahre zu wenig Schlaf, viel zu viel Stress (auch mit dem „Perfekt sein“), ständiger (Zeit-)Druck, die permanente Suche nach Anerkennung, Macht und materiellen Dingen und die vielen unverarbeiteten Emotionen, die die Menschen nicht zur inneren Ruhe kommen lassen.
In der TCM misst man dem, was in unserem westlichen Kulturkreis als „innere Uhr“ bezeichnet wird, eine besondere Bedeutung bei. Können Sie das wichtigste zur Organuhr und ihre Bedeutung für den Schlaf erläutern?
Die Organuhr ist ein wunderbares Instrument der chinesischen Medizin, um Zusammenhänge zu erfassen. Das Prinzip geht davon aus, dass es je nach Tageszeit unterschiedliche Organe mehr oder weniger aktiv sind. Im Westen spricht man von Chronobiologie, d.h. in uns tickt eine innere Uhr. Treten Symptome oder Beschwerden immer wieder zu bestimmten Tageszeiten auf, kann die Organuhr wertvolle Hinweise geben, welche Organe damit in Verbindung stehen.
Das ist der eine Aspekt, der andere betrifft die Dynamik der Oppositionszeiten. Hat das eine Organ „Primetime“, hat das ihm auf der Organuhr in Opposition stehende Ruhepause. Das heißt: ein Organ im Füllezustand, das andere Organ im Leerezustand. So betrachtet entstehen interessante Zusammenhänge im Meridaiansystem und im System der fünf Elemente.
Welche Bedeutung hat das Qi bzw. die Qi-Energie, die den Körper des Menschen gemäß TCM durchströmt?
Das Qi ist eine universelle Energie, unsere Lebenskraft, die uns antreibt. Qi ist kein festes, greifbares Konzept, sondern eher eine fließende Kraft, die ständige Veränderungen unterliegt. Das Qi ist in allem und in jedem Menschen existent, und es ist essenziell für unsere physische, emotionale und geistige Gesundheit. Qi ist die Energie, die Bewegung, das Denken, die Emotionen. Es ist das, was uns lebendig macht. Es wirkt auf der körperlichen und geistigen Ebene und kann es als Brücke und Kraft zwischen Körper und Geist bezeichnet wwrden.
Die Heilmethoden der Traditionellen Medizin sind sehr komplex. Warum braucht es eine gute Ausbildung?
Eine gute Ausbildung ist entscheidend, um das komplexe System der chinesischen Medizin zu verstehen. Angefangen von der Theorie von Yin und Yang, über die fünf Elemente, das Meridiansystem, die Hohl- und Speicherorgane und den Grundsubstanzen: Qi, Blut, Shen, Körpersäfte und das Jing. Es ist unerlässlich, die Zusammenhänge zwischen diesen ganzen Systemen zu kennen, um damit korrekt arbeiten zu können
Wie kann das Individuum den eigenen Schlaf fördern?
Eignen Sie sich eine bestimmte Schlafroutine an. Angefangen von den gleichen Bettgehzeiten über die optimale Umgebung. Ebenso sollten Sie keine großen und schweren Mahlzeiten und Kaffee am Abend zu sich nehmen und Alkohol vermeiden. Aber Schlaf ist mehr: Schlaf ist ein Loslassen und Fallenlassen. Lernen Sie loszulassen, Dinge abzugeben, lernen Sie Nein zu sagen. Bearbeiten Sie ihre Traumata mit einem Therapeuten. Gehen Sie in die Bewegung, denn diese entspannt. Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Nacht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Dr. Alexandra Hildebrandt und Christine Bergmair.
Weiterführende Informationen:
- Gesellschaft in Therapie: Nachhaltige Stressantworten
- Gut schlafen statt erliegen: Was regenerative Unternehmen und gutes Selbstmanagement verbindet
- Warum Schlafhygiene auch für eine gesunde Wirtschaft unverzichtbar ist
- Interdisziplinäre Medizin, Land + Innovation geht nicht? Geht doch!
Der nächste Vortrag von Rita Vogel-Widemann findet am 24. September 2024 von 18:00 bis 19:30 Uhr im Gesundhaus i-Tüpferl in Steindorf statt. Hier wird ein ganzheitlicher medizinischer Ansatz mit hochwertigen Behandlungen verfolgt, bei dem Hausärzte, Fachärzte und Therapeuten gemeinsam akute Probleme beheben, aber auch aktiv und nachhaltig die Gesundheit der Patientinnen und Patienten gefördert wird.
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