Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Wie gewonnene Jahre zu erfüllten werden

Pixabay

"Der alte weiße Mann ist eine Form der legitimen Altersdiskriminierung. Durch diese Floskel gibt sich Altersdiskriminierung den Anschein der Liberalität", sagt die Schauspielerin, Kabarettistin, „Dschungelcamp“-Siegerin von 2004 und Autorin Désirée Nick, die sich stets zwischen Trash und Hochkultur bewegt. Sie können zu allem ihren „Senf“ dazugeben, während Frauen ab einem bestimmten Alter „konsequent ins Aus befördert werden.“ In ihrem aktuellen Buch „Alte Weisse Frau“ fordert sie Gleichberechtigung auch in der Stigmatisierung: „Wenn schon, denn schon!" Sie kritisiert, „dass Frauen ab 50 so unsichtbar sein sollen, dass sie überhaupt nicht stattfinden." Dazu gehören vor allem jene, die die hart gearbeitet, Kinder großgezogen, die Frauenbewegung vorangetrieben und ihre BHs aus Protest verbrannt haben. Ihnen werden gesellschaftliche Zuschreibungen und Normen übergestülpt – so hätten sie sich ab 50 „gefälligst ALT zu verhalten.“ Diese Rollenbilder und Klischees möchte sie durchbrechen: Ältere Frauen sollten lernen, „in Sachen Attraktivität, Erotik und Liebe ein neues Selbstbewusstsein zu finden, denn Weiblichkeit hat kein Verfallsdatum.“ Natürlich hat sich auch ihr Körper im Laufe der Jahre verändert – gleichzeitig hat sie sich das Selbstbewusstsein erarbeitet zu modeln. Im Oktober 2023 zierte sie als ältestes Model das Cover der deutschen Ausgabe des „Playboy“. Damit möchte sie auch jungen Frauen Mut machen, zu sich selbst zu stehen: „Kein Schönheitschirurg der Welt kann euch so vollendet schnitzen, wie ihr tatsächlich seid.“ 

Wer spitzzügig ist wie die Nick, reißt etwas auf und zeigt auf Wunden und Widersprüche. 

Das eigene Leben wird dabei nicht ausgespart. Und das ist gut so, denn die ironische Selbstdistanz macht ihre Biografie, die immer auch ein Spiel ist zwischen Sein und Schein, glaubwürdig. Ihr Studium an der Theologisch-Pädagogischen Akademie Berlin war keine schlechte Voraussetzung, um auch differenziert über "Kreppwimpernträgerinnen" zu schreiben. In ihren Büchern scheinen immer Wahrheiten auf, die amüsant zu lesen sind. So kritisierte sie in ihrem Buch „Neues von der Arschterrasse“, dass die schlanken Arme von früher heute Standardmaße für die Beine sind, und dass die Massenmarktmode für imaginäre Frauen konzipiert wurde. Alles sei zu lang, zu eng, zu billig oder zu schlecht verarbeitet. In der Antike mussten die Baumeister noch unter der Brücke schlafen, die sie konstruiert hatten. Heute muss niemand mehr selbst tragen, was für andere gemacht wird.

Zentrale Aspekte ihrer Publikationen sind Selbstbestimmtheit, Individualität, Ausstrahlung und Haltung, die mit Kultiviertheit und Individualität zu tun haben. 

„Denn was wir mit unserem persönlichen Stil ausdrücken, ist eine sehr intime Konversation. Wir wollen verstanden werden.“ Schönheit und Charakter haben nicht nur mit Aussehen zu tun, sondern mit der gesamten Persönlichkeit. Authentizität aber ist nur dann nachhaltig, wenn sie Relevanz und Resonanz hat. Auch wenn ihr Buch für einige „nur“ Unterhaltungsliteratur ist, so bietet sie doch das, was Hugo von Hofmannsthal einst die Tiefe an der Oberfläche genannt hat. Über ernste Themen muss nicht immer ernst geschrieben werden – im Gegenteil: Erst in der Komik offenbart sich erst der Ernst der Lage. „Humor hatte für mich immer eine heilende Kraft, daher fühle ich mich jugendlich, energetisch und frei!“, bemerkt die selbst ernannte "Jean d'Arc der Golden Girls". Diese Distanz gibt uns die Möglichkeit, Konflikte in ihrer gesamten Kompliziertheit wahrzunehmen und Zusammenhänge zu erkennen. Dazu braucht es allerdings ein tiefes Welt- und Menschenverständnis, das wir in reiferen Jahren erhalten. Damit verbunden sind „Selbstvertrauen, weise Intuition, Erfahrungsschätze und persönliche Stärke.“ 

Das verbindet sie mit dem kanadisch-südafrikanischen Best-Ager-Model Maye Musk, der Mutter von Elon, Kimbal und Tosca Musk, die heute alle erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten sind. Mit 31 Jahren trennte sie sich von ihrem Ehemann Errol Musk, einem südafrikanischen Ingenieur und Unternehmer, der auf eine unberechenbare Art grausam war. Auch zu ihrem Geheimnis des Alter(n)s gehört die Neugier und Bereitschaft, Neues zu wagen und sich immer wieder neu zu erfinden, selbstbewusst zu sein und gut in dem, was Spaß macht. Vor allem aber verbinden die beiden der Sinn für Humor und der gesunde Menschenverstand (bei Désirée Nick Intuition). Er ist wie Selbstironie der Schlüssel zu einer aufgeklärten Gesellschaft. Gebraucht wird er vor allem dann, wenn Risiken nicht berechnet werden können und unter hoher Unsicherheit entschieden werden muss.

Diesen Themen hat sich der Unternehmer und Autor ausführlich im herausgeberband „Bauchgefühl im Management“ gewidmet – das Buch von Désirée Nick liefert dazu aktuelle Beispiele und spiegelt das Thema aus anderen Kontexten heraus. Das schärft unser Denken und sollte auch Unternehmen anregen, sich auch aus anderen Blickwinkeln mit dem Thema zu beschäftigen. Denn die Menschen in den Industrieländern werden immer älter, und in Unternehmen steigt das Durchschnittsalter der Belegschaft. Auch wenn es auf den ersten Blick keine direkten Bezüge zwischen der Künstlerin Désirée Nick und weitsichtigen mittelständischen Familienunternehmen (wo an der Spitze oft Frauen stehen) gibt – es lohnt ein Blick nach innen: So ist die interne Besetzung verantwortungsvoller Positionen von Frauen bei der NEUMÜLLER Unternehmensgruppe überdurchschnittlich hoch: angefangen beim Spitzenmanagement (die weibliche und männliche Geschäftsführung haben Werner Neumüller und seine Frau Regina), über das obere Management und das mittlere (mehr Frauen als Männer) bis zur Belegschaft. Langjährige ältere Mitarbeitende werden hier nicht in den „zeitweise günstigen Vorruhestand verabschiedet“. Geschäftsführer Werner Neumüller, der wie Désirée Nick auch zu den Babyboomern gehört und sich gegen Altersdiskriminierung einsetzt, verweist auf ihre langjährige Erfahrung und ihr Wissen. Vor allem kann er sich auf seine ältesten Mitarbeitenden verlassen, weil sie sich mit ihrem Arbeitgeber sehr eng verbunden fühlen. Häufig sind sie auch gute Mentorinnen und Mentoren, die aufgrund ihrer Erfahrungen auf einem festen Grund stehen, der es ihnen ermöglicht, auch andere mit nach oben zu heben und sie zu fördern.

Gesellschaft im Umbruch

Die Kraft, das eigene Leben zu verändern - und dazu gehört für Désirée Nick auch der Umgang mit dem Alter, geht immer von uns selbst aus: „Wir als Kinder der 6oer-Jahre sind definitiv aufgerufen, die kommenden 50 Jahre, also die Hälfte unseres Lebens neu zu gestalten.“ Nur dann können gewonnene Jahre zu erfüllten Jahren werden. Auch wenn uns das Altern vor viele Herausforderungen stellt, so niemand dem Alternsprozess hilflos ausgesetzt sein – sie vermittelt, dass wir ihn aktiv gestalten können, statt nach dem Berufsende nur auf das Ende zu warten: "Es hat noch nie eine solche selbstbestimmte, attraktive Generation in der Mitte des Lebens gegeben. Eine Frau, die in der Mitte des Lebens attraktiv und unabhängig ist, auch noch eine Message und in jeder Hinsicht eine interessante Persönlichkeit entwickelt hat, die stellt ja so manches junge Ding in den Schatten." Häufig ausgeblendet wird auch, dass das Alter(n) auch vor ihnen nicht Halt macht: „Generation Z ist schon übermorgen alt.“

Das Buch:

  • Désirée Nick: Alte Weisse Frau. Warum Falten kein Knick im Lebenslauf sind. Penguin-Verlag, München 2023.

Weiterführende Informationen:

  • Gelebte Nachhaltigkeit: alterslos – grenzenlos 
  • Gesunder Menschenverstand und nachhaltiges Verhalten 
  • Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
  • Alexandra Hildebrandt: Von Generation Alpha bis Generation Z. Kindle Edition 2022.
  • Désirée Nick: Neues von der Arschterrasse. Verlag Marion von Schröder, 2014.
  • Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller (Hg.): Visionäre von heute – Gestalter von morgen. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2018.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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