Wie können Smart Home-Konzepte zur Reduzierung des Elektrosmogs beitragen?
Marc Böhm: Grundsätzlich kann man sagen, dass Smart-Home-Lösungen, die auf verkabelte Bus-Systeme setzen, weniger „Strahlung“ erzeugen. Auch aus Sicherheitsgründen empfehlen wir beim Neubau den Einsatz von fest verkabelten Bus-Systemen wie KNX. Sie sind per se manipulationssicherer als Drahtlosnetzwerke.
Elmar Loth: Erst einmal vorneweg: Wir sind keine Experten, was das Thema Mobilfunknetze angeht, nehmen aber alle drei für uns in Anspruch, technische Gegebenheiten recht gut und nüchtern einordnen zu können. In einer Demokratie mit unabhängigen Prüfungsgremien kann man im Regelfall davon ausgehen, dass Studien bzw. die Aussagen von dafür zuständigen Behörden glaubwürdig sind, auch wenn sicherlich eine Schönfärbung durch Industrie-Lobbyismus nicht überall zu vermeiden ist.
Millimeterwellen, wie sie beim Mobilfunknetz genutzt werden, sind schon länger im Einsatz, es gibt aus physikalischer Sicht keine Hinweise, dass sie im eingesetzten Energiebereich für Menschen schädlich sind. Ohne Langzeitstudien die insbesondere biomedizinische Aspekte untersuchen wäre es allerdings unwissenschaftlich zu behaupten, dass 5G keine Auswirkungen auf Menschen haben wird.
Jeder kann darüber hinaus selbst entscheiden, Geräte auszuwählen, die so stark wie möglich unterhalb des empfohlenen Grenzwertes liegen. In jedem Fall ist Vermeidung bzw. wenn Alternativen fehlen, die bewusste bzw. nur punktuelle Verwendung von Geräten, die Funktechnologien nutzen, empfehlenswert.
Marc Böhm: Tatsächlich ist es das Smartphone, das ich beim Telefonieren ans Ohr halte! Aber auch ein herkömmliches DECT-Telefon, abhängig davon, welcher Funk-Modus eingesetzt wird. Hier gibt es beispielsweise bei vielen DECT-Telefonen die Möglichkeit den ECO-Modus zu aktivieren, bei dem mit weniger Leistung gesendet wird.
Elmar Loth: Wer von elektronischen Geräten ausgehende Strahlung meiden möchte, sollte generell versuchen auf aktive Sender, die körpernah verwendet werden, zu verzichten. Die Belastung fällt quadratisch mit dem Abstand. Verdoppelt man zum Beispiel den Abstand zu einem Sender, so reduziert man die Strahlung auf ein Viertel. Ein solcher Sender ist eben auch ganz klar ein Smartphone.
Tobias Lehmann: Tatsächlich ist die bewusste Auseinandersetzung damit, was ich an elektronischen und „funkenden“ Geräten benötige und worauf ich verzichten kann, in diesem Zusammenhang entscheidend.
Elmar Loth: Es gibt auch die Möglichkeit Wände und Böden abzuschirmen, zum Beispiel mit Trockenbauplatten und EMV-Tapeten oder Dämmstoffmatten mit integrierter Abschirmfunktion. Denkbar ist der Einsatz, wenn ich mich gegen die Funkwellen aus der Nachbarwohnung schützen möchte. Dann muss aber auch klar sein, dass die Nutzung des Mobiltelefons in einem solchen Raum eingeschränkt ist, bzw. dann die Funkleistung direkt am Handy zunimmt, damit eine Verbindung nach außen hin möglich ist.
Marc Böhm: Wie zuvor erwähnt sollte man beim Einsatz von DECT-Telefonen darauf achten, dass sie den strahlungsarmen ECO-Modus nutzen. Bei WLAN-Routern empfehlen sich Geräte, die je nach Signalqualität ihre Leistung anpassen.
Tobias Lehmann: Grundsätzlich sollten Smart Home Nutzer, die Geräte mit kabelloser Funk-Technologie einsetzen z.B. Lampen auswählen, die den Zigbee-Standard nutzen, statt per WLAN steuerbar sind. Typischerweise funkt Zigbee mit maximal 6 mW, während WLAN entsprechend der EU-Grenzwerte mit bis zu 100 mW senden kann.
Elmar Loth: Das kann man auf ein paar wenige Handlungsempfehlungen herunterbrechen:
Ausmisten: „Frühjahrsputz“ bei meinen technischen, „sendenden“ Geräten: Was brauche ich wirklich, was kann weg?
Kabel statt Funk: Drahtlosen Funk soweit es geht minimieren.
„Funkzeit“ begrenzen: Nicht benötigte Geräte z.B. nachts ausschalten und erst morgens wieder einschalten. In einem Smart Home lässt sich das ganz komfortabel automatisieren.
Abstand halten: Netzteile und Ladegeräte möglichst nicht in Körpernähe verwenden. Zum Telefonieren lieber ein Bluetooth-Headset nutzen, statt das Handy oder Telefon ans Ohr zu halten. Bluetooth der Klasse 3 benötigt eine ca. 1000 Mal geringere Leistung im Vergleich zu Mobilfunk.
Mit weniger Leistung funken: Statt eines einzelnen WLAN-Routers, der permanent mit voller Leistung funkt, auf moderne Mesh-Technologie setzen. Dabei gibt es mehrere verteilte Sender, die mit kleinerer Leistung funken und durch eine sinnvolle Verteilung, dennoch eine komplette Abdeckung erlauben. Die Signalstärke bewusst an den relevanten Nutzungsorten zu messen, ist für die sinnvolle Einstellung der Funkstärke ebenfalls empfehlenswert.
Technologie bewusst einsetzen: Sich bewusst damit auseinandersetzen, welche Funktechnologien ich im Einsatz habe und dann, nach Möglichkeit, auf energetisch günstigere Protokolle setzen. Beispielsweise könnte ich zu Hause bewusst darauf verzichten mit dem Handy übers Mobilfunknetz zu telefonieren und stattdessen per WLAN über einen Messenger anrufen.
Marc Böhm: Im Neubau ist die Wahl kabelgebundener Lösungen ganz klar der Drahtlostechnologie vorzuziehen – und das nicht nur aus Gründen der Elektrosmogreduktion. Wer noch weiter gehen möchte, kann Netzfreischalter einsetzen. Sie schalten ein Stromnetz stromfrei, sobald die Geräte in einem Raum ausgeschaltet sind.
In einem Smart Home kann das automatisiert und auch ohne zusätzliche Netzfreischalter erfolgen. Moderne Schaltaktoren übernehmen dann diese Funktion. Bei einer herkömmlichen Elektroinstallation müssen die Stromkreise der Zimmer, für die die Netzfreischaltung möglich sein soll, vom restlichen Haus getrennt werden und für jeden Raum Netzfreischalter eingeplant werden.
Tobias Lehmann: Bereits in der Planungsphase eines Smart Homes ist zu überlegen, wo die Technik untergebracht werden soll. Ständig eingeschaltete und sendende Geräte wie Router, Home-Server, WLAN-Repeater und DECT-Stationen sollten nach Möglichkeit nicht in Schlaf- und Kinderzimmern untergebracht werden.
Ich danke Ulrike Böhm für die Koordinierung des Interviews.
Marc Böhm, geboren 1981, ist freier IT-Berater und leiden-schaftlicher Softwareentwickler. Bereits als 12-Jähriger hat er seine ersten Programme geschrieben. 2005 wagte er gemein-sam mit einem Kompagnon den Weg in die Selbstständigkeit und gründete die CHILIBYTES GmbH, ein Unternehmen für indi-viduelle Softwareentwicklung. Sein Beruf ist gleichzeitig sein Hobby – mit dem Hausbau 2012 realisierte er seinen Traum ei-nes „Smart Homes“. Dabei setzte er von Anfang an auf die Ei-genentwicklung einer App, die er inzwischen mit zwei Gleichge-sinnten weiterentwickelt und im privaten Umfeld einsetzt. Mit „SEVEN|O“ verfolgt er seine ganz persönliche Vision, die reale mit der Software-Welt sinnvoll und sicher zu verbinden.
Tobias Lehmann, geboren 1985, ist Softwarearchitekt in einem Identity- und Access-Management-Projekt. Nach erfolgreichem Abschluss des Bachelor-Studiums der Softwaretechnik an der Hochschule Esslingen folgte ein Master-Studium in „Distributed Computing Systems Engineering“ an der Brunel University London. Seit 2010 ist er Angestellter der intension GmbH, bei der er in einem Projekt zur automatischen Traktorsteuerung die ersten Erfahrungen in der „App-Entwicklung“ sammelte. Seit der Planung des eigenen „Smart Homes“ Ende 2016 ist die Entwicklung der gemeinsamen App „SEVEN|O“ nicht nur ein großes Hobby, sondern die Bereitstellung grenzenloser Möglichkeiten in der Steuerung und Automatisierung des Eigenheimes.
Elmar Loth, geboren 1971, ist freiberuflicher IT-Berater. Direkt nach seinem Informatik-Studium hat er sich mit Kommilitonen selbstständig gemacht und war zwei Dekaden geschäftsführender Gesellschafter einer Software-Schmiede im Umfeld des Identity Managements. Durch und durch Technologie-Enthusiast hat er mit dem Aufkommen der Industrie 4.0-Ära eine neue Herausforderung in der Verknüpfung der realen Welt mit in Software gegossenen Prozessen gefunden. Im eigenen Haus Smart Home-Lösungen einzusetzen, zu optimieren und neue Wege des Machbaren zu finden, gehört selbstredend dazu. Mit SEVEN|O teilt er die Leidenschaft seiner Co-Autoren, eine Smart Home-Lösung zu schaffen, die intelligent und unaufdringlich die Bewohner beim Leben unterstützt.
Ich danke Ulrike Böhm für die Koordinierung des Interviews.
Smart Homes: Wie kann Digitalisierung zu einem nachhaltigeren Leben beitragen?
Marc Böhm, Tobias Lehmann, Elmar Loth: Zuhause – smart und nachhaltig. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2021.