Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Wie Kreativwirtschaft und kulturelle Infrastruktur zur Umsetzung der SDGs beitragen

Gregor Ludwig Hildebrandt
Gregor Ludwig Hildebrandt: "Kultur inspiriert", Acryl auf Leinwand, 80 x 60 cm.

Um ein Macher zu werden, braucht es neben Wissen bestimmte Fähigkeiten, die man üben kann. Voraussetzung ist Kreativität. Deshalb ist es wichtig, auch Künstler an Nachhaltigkeitsprozessen teilhaben zu lassen. Denn von ihnen lässt sich lernen, dass sich brauchbare Ideen oft erst im Arbeitsprozess entwickeln, aber auch, wie sich Umfelder schaffen lassen, in denen sich eine Kultur des Machens entwickeln kann. Eine nachhaltige Transformation braucht „Handwerk“ – dies unterstützt uns darin, unsere Macherqualitäten zu verbessern. Wo es an handwerklichen Fähigkeiten fehlt, gibt es kein „Begreifen“. Handwerk trägt zur Welterschließung bei, stiftet Sinn, regt zum Selbstdenken an, konfrontiert uns mit den Konsequenzen des eigenen Tuns – und erinnert an den kreativen Teil in uns. Im Rahmen der Sustainable Development Goals (SDGs) nimmt die internationale Entwicklungsagenda erstmals Bezug auf Kultur und Kreativität. Immaterielles Kulturerbe wie Handwerk, Musik, Tanz, bildende Künste, traditionelle Küche und Theater prägen häufig die historischen Stadtgebiete. Ihr Schutz und ihre Förderung sind nicht nur Ziel an sich, sondern auch ein direkter Beitrag zu vielen SDGs, darunter auch SDG 11 (Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten). Das Unterziel 11.4 fordert eine Verstärkung der Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und naturerbes.

Kreativwirtschaft und kulturelle Infrastruktur sind wichtige Ressourcen für die Schaffung von nachhaltigen Lebensgrundlagen.

Kultur ist auch eng mit dem Klimaschutz (SDG 13) verbunden, doch bislang finden kulturelle Perspektiven in der Klimadebatte kaum Gehör. Die Klima-Allianz Deutschland hatte im Herbst 2023 deshalb gemeinsam mit der Deutschen KlimaStiftung zu einer Zukunftswerkstatt im Klimahaus Bremerhaven eingeladen. Es wurde hier eine gesellschaftliche Debatte über die Umgestaltung unserer Kultur in Richtung Klimagerechtigkeit anstoßen. Im Mittelpunkt standen diese Fragen: Wie kann die Klimabewegung bunter und diverser werden? Wie lassen sich mehr Menschen für ein suffizientes und zukunftsfähiges "gutes Leben" begeistern? Welche neuen und alten Erzählungen, Bilder, Traditionen und Rituale werden benötigt, um die sozial-ökologische Transformation anschaulich zu vermitteln und mit Leben zu füllen? Der Begriff "Kultur" wurde hier in seiner gesamten Breite und Mehrdeutigkeit verstanden. 

Der Zusammenhang von Kultur und Klimaschutz zeigt sich aber auch beim Thema Handwerk: Viele traditionelle Berufe und Handwerke basieren auf lokalem Wissen über den Umgang mit dem Ökosystem, der Gewinnung natürlicher Ressourcen und der Herstellung lokaler Materialen. Etliche von ihnen helfen dabei, eine nachhaltige Lebensgrundlage zu schaffen und tragen zu einer ökologischen Wirtschaft bei. Wir müssen wieder zu einer Kultur des Handwerks mit Reparatur und Kreislauf zurückkehren und mehr Mut zu Selbständigkeit und Verantwortung haben. Jugendliche müssen ernst genommen werden – es sollte nicht heißen „Ihr schafft das!“, sondern: „Ihr macht das!“ Handwerk, Technik und Unternehmensorganisation müssen sich dem schnelllebigen Markt und der damit zusammenhängenden neuen Arbeitswelt verbinden. Städtische Regionen, die reich an kulturellem Erbe sind und einen lebendigen Kreativsektor haben, sind auch attraktiver für Unternehmen. 

Im Kontext der Nachhaltigkeit wird die Kultur häufig vernachlässigt.

Dabei wurde die „cultura animi (Pflege des Geistes) in Analogie zur cultura agri (Landwirtschaft) schon von den antiken Philosophen beschrieben. Der Zusammenhang zwischen Kultur, Natur und Nachhaltigkeit ist offensichtlich. Die Betonung des Kultivierens ist auch im SDG 11-Kontext wesentlich: Ohne Grünflächen und wären Städte und Kommunen eine Wüste. Diese müssen vorausgeplant und ständig gepflegt werden. Für den tschechischen Schriftsteller Karel Capek, der 1929 das Buch „Das Jahr des Gärtners" schrieb, waren die Kultivierung des Erdbodens (cultura agri) und die Kultivierung des Geistes (cultura animi) wesensgleich. Das Wort „kultivieren“ ist mit dem Gedanken von Entwicklung verbunden und nicht des simplen Erwerbs – diese Ressourcen müssen früh entwickelt werden und nicht erst dann, wenn sie benötigt werden. Was für den Boden gilt (dass man ihm mehr geben muss, als man ihm nimmt), das gilt auch für Nationen und Institutionen sowie für die menschliche Kultur als Ganze, die nur so lange entsteht und erhalten bleibt, wie sie auch gepflegt wird. Kultur braucht Menschen, die mit Augenmaß handeln. Der fast 300 Jahre alte Leitterminus des deutschen Forstwesens bezeichnet die Verpflichtung, Reserven für künftige Generationen „nachzuhalten“ (nicht mehr Holz zu fällen als nachwächst). Vor allem Künstler geben dem Begriff „Nachhaltigkeit“ einen Rahmen aus Bildern und Geschichten, die unsere Köpfe und Herzen berühren. Nachhaltigkeit braucht die Leidenschaft zum Konkreten und ist deshalb mehr als das in politischen Kontexten und wirtschaftsethischen Diskussionen so genannte Drei-Säulen-Modell.

Interview mit dem Künstler Gregor Ludwig Hildebrandt

Gregor Ludwig Hildebrandt, Jahrgang 1983, lebt und arbeitet in Berlin. Seine Kunstwerke zeigen nicht nur die Ergebnisse eines rücksichtslosen Umgangs mit Natur und Umwelt, sondern auch ihre Beziehung zur Nachhaltigkeit und zum SDG 11-Kontext.

Welche Aspekte verbinden Sie mit dem Begriff Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit stellt einen Teil der natürlichen Ordnung dar (ein Beispiel ist das Gleichgewicht innerhalb der Nahrungskette). Eine Population hängt unter anderem ab von der Menge ihrer Nahrungsquellen und wird begrenzt durch die Prädatoren, in deren Beuteschema sie fallen. Sind die benötigten Ressourcen aufgebraucht, schwindet die Population der entsprechenden Art oder sie stirbt aus. Damit stellt Nachhaltigkeit eine Lebensgrundlage dar, die für eine Existenz unabdingbar ist. Dieser Umstand lässt sich emotional besser nachvollziehen als ein rein intellektueller Ansatz.

Wie kann das Thema Nachhaltigkeit lebendiger vermittelt werden?

Auf keinen Fall sollte dieses Thema nicht zu abstrakt gestaltet werden – es sollte Zugänge für möglichst viele Mennschwn bieten. Dazu gehört auch, Anreize zu schaffen die das Thema auch für Menschen attraktiv gestaltet, die gewohnheitsmäßig eher kurzfristig denken. Dies kann durch "Belohnungen" in Form von Anreizen, Vorteilen und/oder kurzfristigen Gefühlen geschehen. Ergänzt wird dieser Ansatz durch die langfristige Komponente, wie die Empathie für nachfolgende Generationen oder das Gefühl, das Richtige zu tun.

Im Kontext von SDG 11 können übrigens auch historische Gebäude und Zeugnisse vormaliger Generationen dazu beitragen, das Thema Nachhaltigkeit ins Bewusstsein zu rücken. In früheren Zeiten war der Mensch tendenziell noch naturverbundener. Das Kulturerbe erinnert zumindest indirekt an diesen Umstand.

Welche Rolle spielt für Sie das UNESCO-Welterbeliste?

Durch die UNESCO-Welterbeliste erlangen Kultur- und Naturerbestätten einen hohen Bekanntheitsgrad, der sich auch in steigenden Tourismuszahlen zeigt - unkontrolliert würde er allerdings eher zu einer Bedrohung für diese Erbe werden (Verschmutzungen durch Verkehr und Müll, die Überlastung fragiler Ökosysteme, die Übernutzung lokaler Ressourcen) Nachhaltiger Tourismus und Schutz des Welterbes bedingen einander. Für mich geht das Weltkulturerbe auch einher mit einer Steigerung der Lebensqualität.

Warum?

Sie führt zu positiveren Gefühlen, die nachweislich die Handlungsmotivation, den Blick für alternative Handlungsoptionen, das Vertrauen in das Leben allgemein und viele weitere Faktoren günstig beeinflussen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang für Sie das Handwerk?

Hier ist es wichtig, möglichst viele Synergien zu nutzen oder zu schaffen, statt eine Ausbeutung der Ressourcen in Kauf zu nehmen. Nennenswert wären zum Beispiel Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, aus Resten Neues zu schaffen. Zum Beispiel die Sammlung oder der günstige Ankauf von Resthölzern, um daraus einzigartige bzw. exklusive Möbelstücke herzustellen, die durch ihren Charakter dieses Geschäftsmodell nicht nur vorbildlich, sondern auch rentabel machen könnten.

Auch geht es um den generellen Umgang mit Ressourcen: Wenn auf einer Baustelle zum Beispiel große Fenster für zehntausende Euro geliefert werden, diese vom Maß her aber nicht passen und einfach auf den Müll geworfen werden, anstatt sie vielleicht zu verkaufen oder für andere Projekte günstiger anzubieten, dann hat Kreislaufwirtschaft keine Chance.

Welches „Bild“ verbinden Sie als Künstler mit SDG 11?

Vor allem Grünflächen in Städten, die enorm zur Steigerung der Lebensqualität beitragen. Sie haben großen Einfluss auf das Wohlbefinden und damit auf das Verhalten der Einwohner. Wenn man im Vergleich dazu triste Lebensräume betrachtet, die nur ein graues Bild alter Betonbauten zeigen, so ist leicht nachzuvollziehen, dass letztere Hoffnungslosigkeit, begrenztes Denken und fehlendes Vertrauen in das Leben begünstigen. Auch werden Optimismus und der daraus resultierende Antrieb zum Handeln oft bereits im Keim erstickt. Das Umfeld spielt also eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Individuen. Innen- und Außenwelt beeinflussen sich gegenseitig - deshalb ist es wichtig, ein Umfeld zu schaffen, das positive Gedanken zulässt und fördert.

Welcher Stadt fühlen Sie sich persönlich besonders verbunden?

Es ist die Stadt Potsdam: Nicht nur meine Vorfahren haben ihre Wurzeln teilweise hier - auch von meiner Kindheit bis heute gab und gibt es immer wieder viele Berührungspunkte. Deshalb stehen auch viele Potsdam-Motive im Fokus meines künstlerischen Schaffens.

Welche sind das?

Es sind vor allem Gebäude und Plätze, die Potsdams Kulturgeschichte widerspiegeln: zum Beispiel Schloss Sanssouci, die Orangerie, das holländische Viertel oder das Nauener Tor. Sie alle zeugen von einer einzigartigen Geschichte dieser Residenzstadt. Doch auch jüngere Bauwerke wie das Hans-Otto-Theater oder das Museum Barberini fehlen in meiner Serie nicht.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Bild "Kultur inspiriert"?

Es zeigt eine Collage des Museums Barberini und des Hans-Otto-Theaters. In leicht abgewandelter Form verweist es auf die kulturstiftenden Originale, die zu den Wahrzeichen Potsdams gehören. Obwohl beide Gebäude noch relativ jungen Alters sind, tragen sie doch einen erheblichen Teil zur kulturellen Entfaltung der Landeshauptstadt bei. Durch internationale Veranstaltungen und Werke können die beiden Institutionen ihre Wirkung noch potenzieren und verbinden Potsdam auf diese Weise mit dem kulturellen Erbe verschiedenster Epochen und Völker. Das Werk enthält abstrakte Elemente, die auf eine künstlerische Freiheit hinweisen sollen, die immer einen Teil der Bildenden Kunst ausmachte. Diese Andeutung wird ergänzt durch die darstellende Komponente, die ein Grundpfeiler der Malerei seit Menschengedenken ist. Die unvollkommenen Spiegelungen auf der Wasseroberfläche lassen auf eine gewisse Ungenauigkeit schließen, der der Betrachter eines Werkes bei dessen Deutung unterliegt. Der modernen Architektur des Hans-Otto-Theaters habe ich durch ein gewisses Leuchten Rechnung getragen. Dieses "Vibrieren" steht symbolisch für die energiegeladenen Aufführungen und elektrisierenden Werke, die eine Theatervorstellung mit sich bringt.

Können Sie etwas zum Entstehungsprozess der Potsdam-Serie sagen?

Die Gemälde werden in Acryl auf Leinwand entstehen. Zusätzlich fertige ich jedoch auch Bleistift- und Aquarellskizzen zur Vorbereitung an. Eventuell wird es auch eigenständige Aquarelle geben. Die Motivwahl erfolgt größtenteils nach Fotovorlagen, die ich jeweils neu zusammenstelle.

Welche Rolle spielt für Sie der Einzelne bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen?

Es gibt dazu ein passendes Zitat von Erich Kästner: „Wenn Millionen Menschen nicht nur neben-, sondern miteinander leben wollen, kommt es auf das Verhalten der Millionen, kommt es auf jeden und jede an, nicht auf die Instanzen.“ Auch drängt sich die Anwendung des Pareto-Prinzips (80:20-Regel) auf, die aufzeigt, welche Auswirkungen eine relativ geringe Steigerung der Bemühungen jedes Einzelnen haben kann. Dafür braucht es keinen Perfektionismus, weil er oft zu sehr einschränkt und einen Großteil der Menschen eher abschreckt.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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