Wie wird der Klimawandel unser tägliches Leben künftig verändern?
Der Klimawandel - eine der größten Umweltbedrohungen für die Menschheit
"Erinnern Sie sich an das Jahr 1990?", fragen die Journalisten Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem Buch „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“. Das Jahr der Wiedervereinigung fühlt sich für die meisten Menschen noch sehr nah an. Andererseits ist das Jahr 2050 heute bereits näher als 1990 – doch scheint es für viele noch sehr weit weg zu sein. Die "psychologische Distanz" wird bei einem Thema wie der Klimakrise noch verstärkt, denn häufig wird nur in Superlativen gesprochen, wenn es um Umweltkrisen geht. Dazu gehört auch das Artensterben. Hier denken die meisten an Pandabären, bedrohte Eisbären oder an eine ferne Zukunft. Doch was es unbedingt braucht, sind mehr Debatten über greifbare und naheliegende Folgen der Erderhitzung. Wenn wir nicht sofort handeln, wird auch unser Leben durch den Klimawandel radikal beeinträchtigt werden. „Dringlich“ (nicht „wichtig“) bedeutet, dass sofort gehandelt werden muss, und dass es handfeste Beiträge braucht, damit Veränderungen sofort in die Gänge kommen. Die dramatischen geopolitischen Krisen und Konflikte der Gegenwart, allen voran der russische Angriffskrieg in der Ukraine, verstärken die bestehenden Sorgen in Wirtschaft und Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird ambitionierter Klimaschutz leider oft als zusätzliche Zumutung und Belastung empfunden. Doch auch der Kampf gegen den fortschreitenden Klimawandel sowie den Biodiversitätsverlust und der Einsatz für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen duldet keinen Aufschub.
Wegen der Trägheit des Klimasystems und der massiven bereits ausgestoßenen Treibhausgase sei bereits sicher, dass es in Deutschland 2050 rund zwei Grad heißer sein wird, so die Autoren. Sie zeigen, was ein Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius konkret für das Leben in Deutschland bedeutet. Auch wenn die Klimakrise wahrscheinlich andere Gebiete der Erde stärker treffen wird, wird sich auch bei uns das Leben drastisch verändern. Einige der von den Autoren beschriebenen Szenarien sind mit der bereits heute erfolgten Erwärmung nicht mehr umkehrbar.
Die wichtigsten Prognosen und Szenarien:
Der Energiesektor wird vorwiegend auf erneuerbaren Energien beruhen, da die herkömmlichen Energiegewinnungsformen (Kohle oder Kernkraft) zu viel Kühlwasser in einer wärmeren Welt erfordern und dadurch unrentabel werden. Gleichzeitig wird der Energiebedarf stark ansteigen, um angesichts der steigenden Temperaturen immer mehr Gebäude zu klimatisieren.
Die Flüchtlingszahlen werden rapide ansteigen.
Die steigenden Temperaturen werden sich auf die Gesundheit auswirken. Die immer häufigeren Hitzewellen werden viele Todesopfer fordern - vor allem bei alten und schwachen Menschen. Eine Siesta wird 2050 in Deutschland zur Normalität gehören.
Gesundheitliche Gefahren: Überträger gefährlicher Krankheiten wie die asiatische Tigermücke, die das Denguefieber, FSME und Malaria verbreiten können, werden zur Gefahr. Die Mückenart wurde 2007 erstmals im Südwesten Deutschlands nachgewiesen und wird sich bis 2050 im ganzen Land verbreitet haben. Eine vermehrte Blaualgenblüte wird das Badevergnügen in Seen oder der Ostsee trüben.
Landstriche fast ohne alte Bäume dürften in einigen Jahrzehnten normal sein, weil neue, angepasste Arten erst langsam nachwachsen.
Landwirtschafts- und Ernährungssysteme sind besonders stark von klimabedingten Schocks betroffen bzw. anfällig dafür – vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen. Fast die gesamte Landwirtschaft werde sich umstellen müssen: Im Ackerbau werden neue Sorten benötigt, und Hochleistungskühe leiden ab 24 Grad Hitzestress.
Städte werden Kälteräume einrichten müssen. Altenheime müssen dauerhaft klimatisiert sein.
Auch die Trockenheit nimmt zu, weil der ausgedörrte Boden das Wasser nicht aufnehmen kann.
Stromversorgung und Verkehrsinfrastruktur werden durch häufigere Extremwetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen oder Starkregen gefährdet sein.
Der sinkende Grundwasserpegel gefährdet die Wasserversorgung, und Konflikte um Wassernutzung sind programmiert.
Das Wetter lässt sich schlechter einschätzen. Zudem wird es häufiger zu Überschwemmungen und Dürren kommen. Im Winter wird es mehr und im Sommer weniger regnen (und wenn, dann mehr als Starkregen mit Überschwemmungen).
Die exportabhängige deutsche Wirtschaft wird darunter leiden, dass Extremwetter immer häufiger den Nachschub von Zulieferern unterbrechen.
Wohnraum: In Deutschland werden 2050 weniger Dachgeschosswohnungen als heute bewohnt sein. In den Sommern der Zukunft werden mehr kühle Erdgeschosswohnungen benötigt.
Auf diese beschriebenen Folgen muss sich die Gesellschaft deshalb dringend vorbereiten. Es braucht eine starke, solidarische Europäische Union, eine weitsichtige, verlässliche Politik, die ökologische und soziale Folgen der notwendigen Transformation berücksichtigt und fair ausbalanciert. Dafür sind enorme Investitionen in langlebige Infrastrukturen erforderlich. Zudem müssen geeignete und wirksame Finanzierungsoptionen von privater und staatlicher Seite geschaffen werden. Ansonsten drohen noch viel stärkere und weitreichendere Veränderungen. Klimaschutz "sichert unser Zuhause, unser Eigentum, unsere Städte. Oder noch kürzer: Klimaschutz bewahrt Heimat" (Nick Reimer und Toralf Staud).
Weiterführende Informationen:
- Nick Reimer, Toralf Staud: Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021.
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
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