Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Wohlergehen statt endlosem Wirtschaftswachstum: Neues Leitbild für klimafreundliche Lebensstile

Pixabay

EU 1,5° Lebensstile

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist eine Änderung der derzeitigen Produktions- und Konsummuster in den vier zentralen Versorgungssystemen Ernährung, Mobilität, Wohnen und Freizeit erforderlich. Ziel der Studie „Transforming provisioning systems to enable 1.5° lifestyles in Europe? Expert and stakeholder views on overcoming structural barriers” (Kreinin 2024) war es herausfinden, welche gesellschaftlichen Strukturen den Wandel am meisten behindern. Deshalb wurden in fünf EU-Ländern Deutschland, Lettland, Schweden, Spanien und Ungarn Interviews mit Expertinnen und Experten geführt und in Denklaboren mit lokalen Interessenvertreterinnen und -vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft, Medien und Thinktanks diskutiert. Maßgeblich daran beteiligt war Halliki Kreinin (Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam, RIFS). 2022 schloss sie an der WU Wien ein Doktoratsstudium in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ab, mit Spezialisierung auf Ökologische Ökonomie. Sie arbeitet für das Projekt „EU 1,5° Lebensstile“ der Universität Münster. Die Postwachstums-Expertin ist zudem engagiert bei Degrowth Vienna, einem Netzwerk aus Wissenschaftler:innen, Organisator:innen und Expert:innen, das sich seit 2018 für ein neues Wirtschaftsmodell einsetzt und einen visionären 5-Punkte-Aktionsplan erarbeitete.

Zentrale Ergebnisse der Studie:

  • Die Befragten sehen in der Verpflichtung auf das Gemeinwohl eine Chance für eine kohärentere Nachhaltigkeitspolitik.
  • Soziale Gerechtigkeit: Menschen müssen die Chance erhalten, die notwendigen Veränderungen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld, in ihrer Kommune persönlich mitzugestalten.
  • Klimagerechtigkeit: Es sind manifeste Sorgen bei Menschen im niedrigen Einkommensbereich zu verzeichnen (Klimaschutz sei ein Projekt der Reichen, und es werde auf dem Rücken der Kleinen ausgetragen).
  • Klima- und Wirtschaftspolitik stehen häufig im Konflikt miteinander und müssen zusammengedacht werden.
  • Wichtigstes Hindernis für die Transformation der Versorgungssysteme ist das Leitbild des Wirtschaftswachstums, das so wirkmächtig ist, dass Akteure in allen Gesellschaftsbereichen es undifferenziert als Handlungsziel übernommen haben (steht in Konflikt mit Veränderungen hin zur Nachhaltigkeit). Als alternatives Leitbild kann die Befriedigung von Bedürfnissen und das Wohlergehen aller dienen.
  • Maßnahmen für Nachhaltigkeit müssen besser ineinandergreifen, in einigen Bereichen werden auch Verbote, Grenzwerte und Steuern als notwendig erachtet sowie die Stärkung von alternativen Narrativen und Indikatoren eines guten Lebens.
  • Für eine kohärente Nachhaltigkeitspolitik sollten die Regierungen den Einfluss mächtiger Interessengruppen wie der fossilen Industrie eindämmen, sinnvoll sind auch wirtschaftliche Anreize für Investitionen in nachhaltige Technologien und Produkte sowie die Berücksichtigung von Umweltkosten bei den Preisen (z.B. durch niedrigere Steuern auf Arbeit und höhere Steuern auf Energieverbrauch).
  • Alle Befragten machten deutlich, dass ein umfassender Strukturwandel notwendig sei und der Kampf gegen den Klimawandel nicht den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern überlassen bleiben darf - vielmehr müssen sich die Versorgungssysteme grundlegend ändern (momentan können sie bei zu hohem Ressourcenverbrauch keine Bedürfnisbefriedigung gewährleisten)
  • Die Schere in der Gesellschaft geht immer weiter auseinander: Nachhaltigkeitsthemen können nur dann erfolgreich sein, wenn die Teilhabe aller mitgedacht wird. Die Politik sollte mehr Teilhabe u.a. durch die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in Lehrpläne und Schulbildung ermöglichen.
  • Benötigt wird ein neues Wirtschaftsmodell, das das Klima, die biologische Vielfalt und die Menschen wertschätzt, einige Wirtschaftssektoren müssen komplett geschlossen werden, andere gestärkt.
  • Das Streben nach endlosem Wirtschaftswachstum in der EU behindert Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen