Zwei Studien zu Nachhaltigkeit und Veränderungsprozessen in Unternehmen: Risiko oder Chance?
Mitarbeitende und Führungskräfte müssen sich mit den Unternehmenszielen identifizieren können, um sich nachhaltig und mit Freude ihren Aufgaben widmen zu können, und das funktioniert nur mit einem guten Arbeitsklima. Wer sich allerdings – auch als Unternehmen – auf seinem Erfolg ausruht, hat schon verloren. Deshalb muss immer der Markt beobachtet und perspektivisch auf die nächsten Jahre vorausschauend geblickt werden, um richtig handeln zu können.
Das digitale Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent befragt seit 2023 vierteljährlich heimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur aktuellen Stimmung am Arbeitsmarkt. Inzwischen liegt die zweite Längsschnittuntersuchung vor. Befragt wurden 1651 Personen im ersten Quartal 2024 darüber, wie, wo und wann die österreichischen Erwerbstätigen arbeiten möchten und worauf sie im Berufsleben Wert legen.
Die Auswertungen geben den Unternehmen wichtige Impulse für das Recruiting, Führung und Management – sie sind aber auch wichtig für die Entwicklungen in Deutschland: Wo gibt es Unterschiede? Wo sind wir der Entwicklung voraus? Was verbindet und trennt die Entwicklungen in beiden Nachbarländern? Und wo braucht es Nachschärfungen? Die Ergebnisse des Arbeitsmarkt-Kompass sind teilweise erschreckend – vor allem wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht.
Die zentralen Ergebnisse
- In Branchen, die durch Fachkräftemangel und demografische Veränderungen geprägt sind, zeichnet sich eine Verschiebung vom Arbeitgebermarkt hin zu einem Arbeitnehmermarkt ab. Diese Veränderung fordert von Unternehmen, ihre Ansätze zur Mitarbeitergewinnung und -bindung zu überdenken und anzupassen.
- Der Großteil der unbezahlten Care-Arbeit wird weiterhin hauptsächlich von Frauen geschultert.
- Gewünscht wird Flexibilität vor allem bei der Arbeitszeit und beim Arbeitsort. Das optimale Wochenpensum wird seit Erhebungsbeginn der Langzeitstudie stabil bei durchschnittlich 33 Stunden festgemacht – eine Absage an die 40-Stunden-Woche. Frauen legen das bevorzugte Arbeitsvolumen bei rund 30 Wochenstunden fest – für sie hat das Thema eine signifikant höhere Priorität als für Männer. Der Wunschwert der männlichen Befragten liegt mit 35,8 Stunden unter der österreichischen Normalarbeitszeit.
- Frauen legen im Job mehr Wert auf ein gutes Arbeitsklima und Wertschätzung als ihre männlichen Kollegen.
- Bei der Suche nach einem neuen Job stehen für die Befragten Gehaltsüberlegungen an erster Stelle: Guter Lohn bzw. faire Bezahlung sind für 65 Prozent unabdingbar. Im Prioritätenranking dahinter folgen ein gutes Arbeitsklima (56 Prozent) und Wertschätzung (41 Prozent).
- Homeoffice als nachhaltige Entwicklung: Spätestens seit der Coronapandemie ist die Remote-Arbeit in vielen Branchen zur Norm geworden und für jene Normalität. Der bevorzugte Homeoffice-Anteil wird von den heimischen Beschäftigten bei durchschnittlich 39 Prozent festgemacht. Frauen messen Remote-Work und flexiblen Arbeitszeitmodellen deutlich mehr Bedeutung zu als die männlichen (das traditionelle Familienbild in Österreich ist nach wie vor fest einzementiert“).
- Jobwechsel: 33 Prozent zeigen eine Wechselbereitschaft. Zwei Drittel gehen davon aus, dass es für sie aktuell sehr oder eher leicht wäre, eine neue Anstellung zu finden. Getrieben wird der Wunsch nach beruflicher Veränderung vor allem durch hohe Erwartungen an Gehaltssprünge. Im Schnitt wird bei einem Jobwechsel mit einem Einkommenszuwachs von 28 Prozent gerechnet.
- Jobzufriedenheit: Rund 18 Prozent der Befragten an, in ihrem aktuellen Job unzufrieden zu sein.
- Die Themen Nachhaltigkeit und Diversität bilden das Tabellenschlusslicht: Die Mehrheit der Befragten gibt hier den persönlichen Vorteilen durch ein „ordentliches Gehalt“ den Vorzug gegenüber gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen.
- Die Politik muss Strukturen schaffen, die Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben ermöglichen.
- Arbeitgeber sehen sich einem immer stärkeren Wettbewerb untereinander ausgesetzt.
Das bedeutet, dass das Potenzial für die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit in der österreichischen Wirtschaft gering ist.
„Je stärker Unternehmen sich wandeln, desto nachhaltiger werden sie“
Der Wandel von Unternehmen und die zunehmende Berücksichtigung von Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen. Der Zusammenhang zwischen Veränderung und Nachhaltigkeit lässt sich auch statistisch belegen. Unternehmen sollten deshalb ihre Geschäfts- und Nachhaltigkeitspotenziale miteinander zu verknüpfen. Wer dies nicht tut, ignoriert nicht nur den positiven Zusammenhang zwischen Unternehmensentwicklung und Nachhaltigkeit, sondern verpasst auch zukünftige Chancen.
Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 500 Geschäftsführerenden und Nachhaltigkeitsbeauftragen deutscher Unternehmen, die von der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der ESCP Business School durchgeführt wurde. Dafür wurden mit Unterstützung durch die IW Consult GmbH 500 Unternehmen aus der Realwirtschaft zum Thema „nachhaltige Geschäftsmodelltransformation“ befragt. Diese repräsentative Erhebung liefert eine bislang einmalige Datenbasis, welche die Verbreitung nachhaltiger Geschäftsmodellveränderungen in der deutschen Wirtschaft offenlegt.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Knapp 40 Prozent der Unternehmen die Dekarbonisierung und das Etablieren einer Kreislaufwirtschaft als Chance.
Der Kapitalmarkt ist einer der am schwächsten bewerteten Treiber zukünftiger Veränderungen. Die Rolle, die er einnehmen sollte, erfüllt er offenbar noch nicht: Aus Sicht der Unternehmen der Realwirtschaft sind Banken und Investoren „eher“ oder „völlig unwichtig“ (34 Prozent) als Treiber zukünftiger Nachhaltigkeitsanstrengungen.
Vor allem der breite Mittelstand macht sich auf den Weg. Deshalb werden Unterstützungsangebote wie Steuergutschriften oder Finanzhilfen benötigt, die Anreize für den nachhaltigen Umbau von Geschäftsmodellen schaffen.
70 Prozent der Unternehmen sehen noch ungenutzte Möglichkeiten, einzelne Aktivitäten weiterzuentwickeln. Fast jedes zweite Unternehmen sieht sogar die Chance, sein komplettes Geschäftsmodell zu verändern.
Weit vorn bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit im Veränderungsprozess ist eine kleine Gruppe von „Transformatoren“ (1 Prozent), die sich bereits weitestgehend umgestellt haben. Es folgt ein Anteil von 15 Prozent „Innovatoren“. 63 Prozent der Unternehmen sind dabei, ihre Geschäftsmodelle als „Adaptoren“ anzupassen. Komplett am Anfang stehen die rund 21 Prozent „Basis-Unternehmen“. 53,3 Prozent sieht in den steigenden, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Erwartungen ihrer Kunden eine wesentliche Chance für ihre Geschäftsmodelle. Je grundlegender der Wandel in den Unternehmen ausfällt, desto größer wird die Bedeutung der Nachhaltigkeit für die Unternehmen. Nachhaltigkeit ist dabei allerdings kein Selbstzweck: Wirtschaftliche Interessen stehen bei den Veränderungsprozessen im Vordergrund.
Fast die Hälfte der Unternehmen hat die Politik der Vergangenheit als Hemmnis wahrgenommen. Mehr als 83 Prozent der Unternehmen sehen eine entscheidende Rolle von Politik und Regulierung für die zukünftige, nachhaltige Transformation ihrer Geschäftsmodelle.
Die Befragten sind sich nicht einig, ob ihre Mitarbeitenden im Veränderungsprozess eher eine Chance oder eher ein Risiko darstellen. Rund 25 Prozent geben an, dass die Erwartungen von Mitarbeitenden keinen Einfluss hätten.
Weiterführende Informationen:
- Arbeitswelt im Wandel: Die entscheidenden Faktoren künftiger Wettbewerbsfähigkeit
- Wie gehen Unternehmen mit Veränderungsprozessen um?
- „Change ist wie ein Tanz zwischen Neuem und Bestehendem“
- Caring Economy: Unsere Wirtschaft muss fürsorglicher werden
- Arbeitsmarkt und Recruiting: Herausforderungen und Lösungen
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler. Heidelberg, Berlin 2018.
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