Schnitzel, Burger, Wurst: Essen wir zu viel Fleisch?

750 Millionen Tiere werden jedes Jahr in Deutschland geschlachtet. Jeder Bürger isst im Laufe seines Lebens durchschnittlich 1100 von ihnen. Zu viel, sagen nicht nur Mediziner.

Dr. med. Matthias Riedl
  • Die Annahme, der Mensch sei ein Allesfresser, ist falsch
  • Unser Körper benötigt kaum Fleisch – zu viel macht uns sogar krank
  • Vollständig auf tierische Produkte verzichten sollten wir jedoch nicht

26.924 Reaktionen

Für jedes Tier gibt es eine artgerechte Ernährung. Nur der Mensch ist ein Allesfresser? Falsch. Das ist ein weitverbreiteter Irrtum. Heute wissen wir ganz genau, welche Nahrung der menschliche Körper benötigt und welche nicht. Fleisch brauchen wir definitiv nicht. Im Gegenteil: Es macht uns sogar krank. Besonders zu viel rotes Fleisch und prozessierte Wurstwaren sind Ursachen für Volkskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Gicht und Fettleibigkeit.

Was unser Körper stattdessen benötigt, ist Gemüse. Pflanzliche Lebensmittel sollten die Basis unserer Ernährung sein. Dazu kommen Eiweiße. Sie halten uns satt und stärken unsere Muskeln. Aber auch hier gilt: Überwiegend sollten wir pflanzliche Eiweiße wie Hülsenfrüchte und Nüsse essen. Nur ein kleiner Teil unserer Nahrung sollte aus tierischen Eiweißen bestehen – sprich Käse, Quark, Joghurt, Eier oder Fisch. Vollständig auf diese Produkte verzichten sollten wir aber nicht. Durch eine rein vegane Ernährung nehmen wir nicht genug Vitamin B12 auf. Pharmaunternehmen bieten zwar Nahrungsergänzungsmittel an, doch warum sollte man auf Pillen zurückgreifen, wenn man das Vitamin auch natürlich aufnehmen kann?

Wir waren nie Jäger und Sammler – das ist ein Mythos

Es gibt eine Bevölkerungsgruppe, die länger lebt und weniger Krankheiten entwickelt als andere: die Ureinwohner des Amazonasgebiets. Noch heute ernähren sie sich so ursprünglich wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren. Hauptsächlich nahmen sie Gemüse, Pilze, Nüsse und zuckerarme Früchte zu sich. Fleisch war niemals ein grundlegender Bestandteil unserer Nahrung. Dass wir Menschen in der Frühzeit Sammler und Jäger waren, ist ein Mythos. Denn vor allem waren wir eines: Sammler und erst in zweiter Linie später auch Jäger. Kleintiere, weißes Fleisch von Geflügel oder Fisch fiel uns in die Hände. Großtiere mit rotem Fleisch kamen erst mit der Gruppenjagd und dem Gebrauch von Waffen auf den Tisch.

Und da wir gerade beim Thema Mythen sind: Im selben Atemzug mit ausgewogener Ernährung wird immer wieder die mediterrane Küche genannt. Anders als häufig angenommen, ist sie jedoch nicht nur wegen des Fisches so gesund. Auf den Tisch kommen dort vor allem Gemüsesorten, Olivenöl und Nüsse. Genau diese Fette wurden bis vor wenigen Jahren noch verteufelt. Damals nahmen wir noch an, sie wären der Grund für die zunehmende Fettleibigkeit der Bevölkerung. Heute wissen wir, die Ursache dafür liegt im Fleisch und Zucker, nicht in den Fetten. Öle aus Oliven oder Leinsamen können sogar die Krebsentwicklung hemmen und das Leben verlängern.

Wer etwas ändern will, sollte Schritt für Schritt vorgehen

Jeder, der täglich Fleisch isst, sollte seine Ernährungsgewohnheiten überdenken. Das Argument, der Körper benötige das Eiweiß und die Vitamine, ist überholt. Wer seine Ernährung umstellen will, darf jedoch nicht überstürzt handeln. Plötzliche, radikale Veränderungen führen zu einem Jo-Jo-Effekt. Ein erster Schritt sollte sein, die eigene Ernährung zu analysieren: Wie viel Fleisch und wie viel Zucker esse ich? Nehme ich ausreichend Eiweiß oder Gemüse zu mir? Ein Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag reicht vollkommen aus.

Erst danach gilt es, Stück für Stück einzelne Veränderungen auszuprobieren. Ich empfehle, pro Woche nur einen „Blockbuster“ der eigenen Ernährung zu verändern. Aber nicht zu rigide, das erhöht die Rückfallgefahr und ähnelt einer Diät. Alles andere bleibt unverändert. In der darauffolgenden Woche versucht man dann beispielsweise, auf Zucker zu verzichten oder ihn zu reduzieren. Erst wenn das dauerhaft klappt, kommt die nächste Veränderung dran. Auf diese Weise findet man schnell heraus, welche Lebensmittel einem guttun und welche nicht. Ändert man dagegen zu viele Gewohnheiten auf einmal, führt das schnell zu Stress und Frust. Es ist wie bei einer Unternehmensanalyse: Es werden nur die wichtigsten Fehler verbessert.

Allzu leicht lassen wir uns von Ernährungstrends und beliebten Fernsehköchen beeinflussen. Richten uns nach dem, was gerade en vogue ist. Was unser Körper wirklich benötigt, ist viel Gemüse, pflanzliches Eiweiß, nur wenig Milchprodukte und gutes Fett – nicht mehr. Fleisch, bestenfalls weißes, ist dann nur die Beikost.


Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Wie konsumieren Sie Fleisch? Sollten wir unsere Essgewohnheiten überdenken oder ist die ganze Diskussion übertrieben?

Veröffentlicht:

Dr. med. Matthias Riedl
© Andreas Sibler
Dr. med. Matthias Riedl

Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin

Der Internist ist Gründer und ärztlicher Direktor der Medicum Hamburg MVZ GmbH. Die Praxis hat sich auf Diabetes und Ernährungsmedizin spezialisiert. Viele Erkrankungen, davon ist Riedl überzeugt, lassen sich durch die richtige Ernährung lindern und heilen. Zudem ist er Autor des Buchs „Abnehmen nach dem 20:80 Prinzip“. Um abzunehmen reiche es aus, seine Essgewohnheiten zu 20 Prozent zu verbessern. Diäten brauche niemand. Seit 2013 ist er in der NDR-Staffel „Die Ernährungs-Docs“ zu sehen.

Mehr anzeigen

Werd kostenlos XING Mitglied, um regelmäßig Klartext-Debatten zu aktuellen Themen zu lesen.

Als XING Mitglied gehörst Du zu einer Gemeinschaft von über 21 Mio. Berufstätigen allein im deutschsprachigen Raum. Du bekommst außerdem ein kostenloses Profil, spannende Fach-News und passende Job-Vorschläge.

Mehr erfahren